Was steckt hinter dem Girly-Trend?

Schleifen, Rüschen und Rosa ohne Ende: So verspielt und verschnörkelt war Mode lange nicht mehr. Der Trend um mädchenhafte Looks sieht nicht nur süß aus – er hat auch eine Message. Und lässt sich sogar psychologisch erklären.

Text: Anna-Lena Halsig

Frau mit Schleifen im Haar© Getty Images
Volants, Rosen und Schleifen gehören wieder zu den größten Trends der Stunde. Aber woher kommt der Hype?

Erst "Girl Math", dann sogenannte "Hot Girl Walks", schließlich "Girl Dinner" – und jetzt ganz neu: "Girl Hobbies"! Diese TikTok­Vokabeln, die neue Begriffe dafür sind, sich die Finanzen schönzurechnen, spazieren zu gehen, eine Snackplatte zu essen oder sich Freizeitvergnügen wie Brunch oder Skincare hinzugeben, sind derzeit in aller Munde. Seit den frühen 1990ern war wohl keine Zeit mehr so im "Girl"-Fieber wie die heutige.

Eigentlich keine Überraschung: Greta Gerwigs Barbie-Movie wurde ein Blockbuster, Pop-Sängerin Taylor Swift stürmt die Charts mit ihren Girl-Power-Songs. Süß aussehen, tough rüberkommen. Jetzt zieht auch die Mode nach: mit Schleifen, Rüschen und ganz viel Rosa. Losgetreten wurde der Trend eigentlich schon Ende 2022 von den zarten Ballerinas des italienischen Luxushauses Miu Miu. Ein Schuh-Traum aus Satin und Seide, abgerundet mit einer kleinen Schleife. Der Hype darum war gigantisch! Auch andere Designerinnen kamen daraufhin mit Ideen um die Ecke, die die Feminität ins Spotlight rückten. Alle wollten plötzlich Haarschleifen von Sandy Liang, herzförmige Taschen von Simone Rocha, Blumenohrringe von Shushu/Tong und Kleider von Kimhekim oder Cecilie Bahnsen. Letztere designt für die Schuh- Brand Asics übrigens immer wieder Sneaker mit Schleifen, Mesh-Einsätzen, Klettverschlüssen und Blumen-Motiven – alles war natürlich im Nu ausverkauft.

Mittlerweile ist der mädchenhafte Look sogar in der Haute Couture angekommen: Für Chanel präsentierte Virginie Viard gerade erst vom Ballett inspirierte Bodys und Tüllröcke, Haarschleifen aus Samt, luftig-leichte Pieces in Puderrosa.

Die mädchenhafte Mode hat eine Message

Aber warum sehen die Modeschöpfer gerade rosarot? Nun ja, die Welt steckt in der Krise: Tagtäglich prasseln schlechte Nachrichten auf uns ein – und dafür muss man nicht einmal mehr um 20 Uhr die "Tagesschau" einschalten, das Handy in der Tasche reicht vollkommen aus. Kein Wunder eigentlich, dass wir uns zwischen Kriegen, Inflation, wachsendem Rechts­populismus, Klimawandel und #MeToo einfach in eine unbeschwertere Zeit zurückwünschen – die Kindheit. Psychologisch gesehen handelt es sich dabei um eine gesunde Form des Eskapismus.

Aber kann es die Lösung sein, an alles eine Schleife zu heften, wie ein buntes Kinderpflaster auf eine kleine Schürf­wunde zu kleben? Kritische Stimmen mahnen, Frauen würden sich so infantilisieren, sich unselbstständig darstellen – und das nicht nur durch Kleidung, sondern auch durch Ausdrücke und Redewendungen wie "I’m just a girl" oder eben "Girl Hobbies". Besonders bei einem so polarisierenden Trend kann das schnell als anti-feministisch gelten.

Vielleicht wollen die Trägerinnen der Looks aber auch genau das Gegenteil: Sie machen sich das überspitzt Feminine zu eigen und zeigen es mit Stolz. Rosa tragen, Boybands hören, Make-up und Mode mögen oder gerne backen. Diese Dinge werden oftmals als Frauensachen abgetan und – bewusst oder unbewusst – als weniger wert und uncool angesehen. Die „Girls“ sehen genau das als Emanzipation, frei nach dem Motto: "Ja, und? Ich bin eine Frau und ich trage eine hübsche pinke Schleife, wenn ich das möchte."

Mode dient schließlich seit jeher als Ausdrucksform. Und vielleicht ist es gerade in Zeiten wie diesen angebracht und total okay, dass wir die Welt nicht nur mal durch eine rosarote Brille sehen, sondern auch mit Schleifen verzieren.

Verwendete Quelle: Grazia Print Nr. 5