Tatsächlich waren die 52 Looks, die die Designerikone in der Via Fogazzaro 36 auf einem Laufsteg aus Spanplatten präsentierte, wie gemacht für moderne Weltenbummlerinnen auf Selbstfindungskurs: schulterfreie Samtkleider im Stil der 1940er-Jahre zu bestickten Strickhand- schuhen. Ketten, von denen winzige Tagebücher baumelten. Taschen, die so eng um den Körper der Models geschnallt wurden, als seien die Mädchen vom Reiseveranstalter vor Taschendieben gewarnt worden. „Die Prada-Frau ist eine Vagabundin. Und die Looks sind eine Collage von Glück und Schmerz aus ihrem Leben“, philosophierte die Designerin kurz nach der Show vor den versammelten Journalistinnen. „Manchmal fühlen wir Frauen uns eben schön oder schrecklich!“ Signora Prada war eben schon immer eine Frauenversteherin.
Wobei Star-Bloggerin Chiara Ferragni sich das mit der Selbstreflexion wohl während der Schau etwas zu sehr zu Herzen genommen hat. Jedenfalls schoss das It-Girl in der Front-Row erst mal ein Selfie und starrte es dann minutenlang verliebt an, statt sich auf die vorbeimarschierenden Prada-Kunstwerke zu konzentrieren.
Miuccia Prada mag die perfekte Reiseleiterin in die weibliche Seele sein, als Christoph Kolumbus der Stunde erwies sich jedoch Konkurrent und Gucci-Chefdesigner Alessandro Michele, der diese Woche wieder mal hinter eigentlich schon ausgetretenen Pfaden modisches Neuland entdeckte. Der Römer schickte stilsicher farbenprächtigste Retro-Looks über seinen 30 Meter langen Catwalk: bodenlange, funkelnde Siebzigerjahre-Cocktailkleider, dekorative Baseballjacken aus Leder, glitzernde Diamantenketten, trendige Logo-Taschen. Einige Designs wurden vom Graffiti-Künstler Trevor Andrew veredelt (Achtung, Sammlerstücke!). Auf den ersten Blick erinnerten manche Teile zwar an Guccis Frühjahrsshow, bei genauem Hinsehen zeigte sich aber eine origineller Weiterführung.
Mit anderen Worten: Michele blieb sich treu und auf Erfolgskurs. „Ich liebe es, zu mixen und matchen und die Looks in verschiedene Sprachen zu übersetzen“, erklärte er nach der Schau selbstbewusst. Zu Recht: Gucci verzeichnete im letzten Geschäftsquartal des Jahres 2015 Rekordumsätze.
Roberto Cavallis neuer Designer Peter Dundas fügte sich mühelos in die Aufbruchstimmung ein und entführte sein Publikum auf eine Zeitreise in den Salone d’Oro des Palazzo Spinola. Schon der Rahmen war märchenhaft: ein opulenter Saal aus dem 16. Jahrhundert, dekoriert mit Hunderten Kerzen, einem Blumenaltar, vier Kronleuchtern; für passende musikalische Untermalung sorgte eine junge Harfenistin. Die Kollektion war ebenfalls zauberhaft: Siebenmeilenstiefel aus Schlangenleder, zum Abheben hauchzarte Paillettenkleider, verzierte Capes im Stil des Art nouveau, extralange Schlaghosen.
Eher ein Fall für Sperrgepäck war Moschino-Kreativchef Jeremy Scott. Der New Yorker zeigte verkohlte Kleider, die in Kronleuchtern und Klavieren steckten. Und ein Smokingdress fing mitten auf dem Catwalk an zu qualmen – woraufhin Modekritiker in der ersten Reihe dem Designer einen Burn-out attestierten. Was wollte Scott mit seiner Inszenierung sagen? Dass man das Leben wie eine letzte Party feiern und danach alles abfackeln sollte? War vielleicht kunstvoll gedacht, hatte mit tragbarer Mode aber nichts zu tun.
Ganz anders die Kollektion des italienischen Traditionshauses Fendi. Chefdesigner Karl Lagerfeld weiß, was sich Frauen nächste Saison wünschen: bunte Streifenpullis, flaschengrüne Minikleider mit japanischen Blumenmotiven aus dem 18. Jahrhundert und butterweiche Lederstulpen, die zu wolkenkratzerhohen Pumps gestylt wurden. Was für eine tolle Idee, Herr Lagerfeld! „Ach, wissen Sie, man sollte nicht alles überintellektualisieren!“, verkündete er nach der Show.
Was man durchaus mit auf den weiteren Lebensweg nehmen kann. So gesehen war die Mailänder Modewoche in jeder Hinsicht eine Reise wert!