
Mode als Bekenntnis zu einer bestimmten Gruppe
„Du bist, was du trägst“ – dieser Spruch gewinnt spätestens dann an Bedeutung, wenn wir uns auf ein Vorstellungsgespräch vorbereiten und überlegend vor dem Kleiderschrank stehen. Welche Kleidung lässt uns möglichst vorteilhaft, souverän und intelligent wirken?
Wir können nicht leugnen, dass uns unser Outfit ein spezielles Image verleiht. Eine Studie aus dem Clothing and Textiles Research Journal zeigte beispielsweise, dass Frauen umso mehr Management-Fähigkeiten zugetraut werden, je maskuliner sie sich kleiden. Umgekehrt können wir unser Image durch die gezielte Auswahl unserer Kleidung sehr gezielt beeinflussen.
Schon immer hatten verschiedene Subkulturen ihre eigenen modischen Erkennungsmerkmale. Fans der Hip-Hop-Kultur zeichnen sich oft durch einen ganz anderen Kleidungsstil ab, als beispielsweise Anhänger der Punk-Szene. Am jeweiligen Outfit lässt sich zunächst ganz oberflächlich ablesen, zu welcher kulturellen „Familie“ die Person zählt – oder zählen möchte.
Die Codes der verschiedenen Subkulturen
Früher waren die modischen Grenzen dabei jedoch sehr viel deutlicher sichtbar, als heute. Inzwischen gibt es bei uns nur noch sehr wenige Subkulturen, die durch einen wirklich einzigartigen Kleidungsstil geprägt sind. Punk und Gothic wären hier passende Beispiele. Beide zeichnen sich durch sehr starke visuelle Codes aus.
- Dunkle Farben, Netzstoffe, Samt, Corsagen, derbe Boots verbunden mit einem stark akzentuierend geschminkten Gesicht und aufwändigen Frisuren – das sind typische Merkmale der Goths.
- Der Irokesenschnitt in bunten Farben ist hingegen das Markenzeichen, dass den meisten zuerst zur Punkkultur einfällt. Hinzu kommen Nietendetails auf der Kleidung, Buttons und Aufnäher, markant gestreifte oder karierte Hosen, Teile im Animal-Print oder zerrissene Stücke.
Weitere Subkulturen, die einen starken Fokus auf die jeweilige Kleidung legen und sich entsprechend von anderen Gruppen abgrenzen, gibt es heute vor allem in Japan. Hierzulande sind verschiedene Szenen scheinbar völlig von der Bildfläche verschwunden: Was ist mit der Grunge-, Rockabilly- oder Rave-Szene? Die Fans kleiden sich inzwischen fast nur noch für gruppeninterne Veranstaltungen gemäß den etablierten Codes. Im Alltag sind solche stark szenetypischen Outfits nur noch selten zu sehen.
Tragbare Codes
Tatsächlich haben sich heute die verschiedenen charakteristischen Merkmale losgelöst von der jeweiligen Subkultur weiterverbreitet und miteinander vermischt. In Zeiten, in denen sich neue Trends in Windeseile über die verschiedensten sozialen Netzwerke verbreiten, in denen wir über das Internet in Echtzeit Einblick in die verschiedensten Länder und Kulturen bekommen können, hat sich auch die Mode verändert.
Die Designer bedienen sich für ihre Kollektionen an den verschiedensten Details, die ursprünglich als Charakteristikum innerhalb einer Subkultur entstanden sind. Sie werden dazu benutzt, um ein gewisses Image oder eine bestimmte Aussage, die damit verbunden ist, auf das neue Kleidungsstück zu übertragen.
Nicht immer ist diese Botschaft– so aus dem Zusammenhang gerissen – auf den ersten Blick klar erkennbar. Man muss sich in der Modewelt schon ein wenig auskennen, um zu entschlüsseln, aus welchem Kontext ein bestimmtes Detail stammt und was genau damit zitiert wird.
Die modischen Zeichen im Wandel
Durch die vergangenen Jahre des wilden „Mix-and-Match“ haben viele dieser Details auch ihre ursprüngliche Bedeutung verloren. Die einstigen Abgrenzungsmerkmale sind zum Mainstream geworden, außerhalb des Kontextes der jeweiligen Subkultur ist die Wirkungskraft abhandengekommen – sie wirken oftmals beliebig austauschbar.
Wer weiterhin mit seiner Mode ein bestimmtes Statement vermitteln möchte, muss dafür deshalb schwerere Geschütze auffahren. Hinter dem Begriff Statement Fashion verstehen wir heute Kleidung, die ihre Botschaft sehr plakativ nach außen trägt.
Mode als individueller Ausdruck
Nach wie vor haben wir die Möglichkeit, uns mit unserer Kleidung auch ein bestimmtes Image überzustreifen. Dabei kann uns die Kleidung tatsächlich auch selbstbewusster machen oder einfach ein spezielles Gefühl vermitteln. Mit High-Heels fühlt man sich einfach erhabener, der Gang bekommt (spätestens nach etwas Übung) diese unvergleichliche Eleganz. Im Business-Outfit wirken wir nicht nur seriöser – wir fühlen uns selbst auch so.
Gleichzeitig wirkt ein übergestülptes Image nicht authentisch, wenn wir uns in der Kleidung überhaupt nicht wohlfühlen. Wer nicht gerade Schauspieler ist, und sich ein fremdes Image temporär aneignen kann, tut gut daran, sich seine Garderobe passend zum individuellen Charakter auszusuchen.
Hierin liegt oft bereits das große Problem, denn dafür muss man natürlich vorher wissen, wer man eigentlich ist. Dies klingt einfacher, als es in Wirklichkeit ist. Denn tatsächlich passiert es selbst der leidenschaftlichsten Fashionista hin und wieder, dass ein Teil gekauft wird, das am Ende ungetragen im Schrank verstaubt.
Der Grund: Im Schaufenster oder auf dem Werbeplakat verlieben wir uns immer wieder in ein tolles Outfit, das dann aber doch gar nicht so richtig zu uns passt oder unseren eigenen Stil widerspiegelt.
Trend oder persönlicher Ausdruck?
In der Geschwindigkeit, in der wir heutzutage mit neuen Trends konfrontiert werden, ist es ohnehin nicht immer leicht, „seiner“ persönlichen Linie treu zu bleiben. Wer nicht gerade eisern an den strengen Vorgaben einer Capsule Wardrobe festhält und einfach gerne auch angesagte Trends trägt, sollte sehr genau wissen, was einem steht und zur eigenen Persönlichkeit passt.
Um ein modisches Statement setzen zu können, sollte man sich vorher genau darüber im Klaren sein, was man eigentlich ausdrücken möchte und welche Kleidung dafür am besten geeignet ist. Dabei muss das Statement nicht zwangsläufig ein Politisches sein.
Denn zunächst einmal ist das individuelle Outfit immer das Markenzeichen des persönlichen Stils. Mit jedem Stück, dass wir zu unserem Repertoire im Kleiderschrank hinzufügen, formen wir in gewisser Weise unsere eigene Brand. Dabei kann die Kleidung durchaus sehr vielfältig ausfallen. Oft sind es kleine Details oder wiederkehrende Motive und Elemente, die in einem bunten Potpourri an einzelnen Stücken einen roten Faden erkennen lassen.
Statement-Mode richtig tragen
Von allzu plumpen Statements haben wir jetzt also genug gehört.
Bleibt die Frage, wie man es richtigmacht, und modische Statements stattdessen gekonnt einsetzt oder kreiert. Bei dem Statement-Trend kommt es ganz besonders auf die richtige Kombination und das passende Verhältnis an. Damit eine modische Botschaft ihre volle Wirkung erzielen kann, ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt – und zwar nicht nur im modischen Kontext, sondern auch, was etwa das aktuelle Zeitgeschehen betrifft.
Denn mit einem markanten oder lustig gemeinten Spruch auf dem Shirt kann man gegebenenfalls gehörig ins Fettnäpfchen treten, wenn dieser von manchen auch ganz anders aufgefasst werden kann. Zudem gilt es, für jedes Statement das richtige Maß zu finden. Wie auffällig darf ein Detail sein, ohne zu aufdringlich oder überheblich zu wirken? Ganz praktisches Beispiel: eine Uhr als trendiges Accessoire um den Look passend abzurunden:
Ein auffälliges Exemplar kann die Blicke auf sich ziehen und gezielt ein besonderes Highlight beim Outfit setzen. Fällt sie zu groß aus, kann sie hingegen schnell protzig und einfach überdimensioniert wirken. Dabei kommt es auch auf die Größe des Handgelenks an, welches Gesamtbild sich am Schluss ergibt. Passende Vorlagen sind hier eine gute Hilfe, um etwa beim Online-Shopping die Größenverhältnisse richtig einschätzen zu können.
Gerade in der Summe können mehrere markante Details sich gegenseitig Konkurrenz machen. So ist es besser, sich auf ein oder vielleicht zwei Statement-Pieces beim Outfit zu beschränken. Dabei ist es egal, ob es sich dabei um ein aussagekräftiges Kleidungsstück handelt oder ein auffälliges Accessoire.
Am Anfang war das Statement-Shirt
Das einfache Shirt mit einem aufgedruckten plakativen Spruch oder (politischen) Statement war der Anfang der modischen Ausrufezeichen. Als „Erfinderin“ gilt die britische Modedesignerin Katharine Hamnett, die Anfang der 1980er Jahre die ersten „Message T-Shirts“ produzieren lies.
Die Schlichtheit der einfarbig weißen oder schwarzen Shirts führt dabei dazu, dass die Aufmerksamkeit direkt auf das eigentliche Statement gelenkt wird. Erstmals für internationales Aufsehen sorgte ein Auftritt Hamnetts bei der britischen Premierministerin Margaret Thatcher. Sie trug dabei ein Shirt mit einer eindeutigen politischen Botschaft – ein solch inszenierter Protest war damals neu.
Am ernsthaften politischen Hintergrund hat sich bei der Mode Hamnetts bis heute nichts geändert.
Daneben tragen die Teile ihrer Kollektionen auch soziale oder ethische Botschaften. Mit Statements wie „NO MORE FASHION VICTIMS“ oder „MAKE TRADE FAIR“ zeigt sie ganz deutlich, dass ihr das Thema Nachhaltigkeit bei ihrer Mode sehr am Herzen liegt. Die Herstellung der Stücke für ihr Label folgt sehr strengen ethischen Standards.
Slogans wie „WORLD WIDE NUCLEAR BAN NOW“, „STOP KILLING WHALES“ oder „YOUR CARE FOR OTHERS IS THE MEASURE OF YOUR GREATNESS“ spiegeln ihr Engagement für die Umwelt beziehungsweise für Immigranten wider.
Die Evolution des modischen Statements
Statt politischer Botschaften wurden bald auch banalere Sprüche und Aussagen auf den Kleidungsstücken platziert. Mit den verschiedenen Teilen konnte man seiner Liebe für eine Metropole Ausdruck verleihen (I NY), auf den Rest der Welt pfeifen (IDGAF) oder zeigen, dass man eine ZICKE! Ist. Auch heute zeigt sich das Statement-Shirt noch in einer großen Vielfalt.
Schließlich bekamen die großformatig aufgedruckten Botschaften auf den Shirts Konkurrenz von prägnanten Logos. Statt einer Aussage zum aktuellen Zeitgeschehen oder dem persönlichen Befinden wurden die Logos oder Wortmarken der Brands selbst zum Statement – das Image entwickelte sich zur eigentlichen Botschaft.
Wieviel Inhalt steckt in den Statements?
Die Strahlkraft der Botschaften wurde auf diese Weise nach und nach ausgehöhlt.
Wann war ein Statement ernst gemeint? Wann eine ironische Anspielung? Und wann einfach nur eine beliebige Botschaft als bloße Dekoration auf dem Kleidungsstück. Aufgrund der schieren Menge an den omnipräsenten Sprüche und Zeichen ist dies heut gar nicht mehr so einfach zu unterscheiden.
Von Statement-Ärmeln, -Ketten, -Heels und –Bags
Schließlich wurde das Statement an sich zum modischen Begriff und künftig jedem Detail übergestülpt, das in irgendeiner Weise als prägnantes Detail in Szene gesetzt wurde. Die Kleider haben heute voluminöse Statement-Ärmel – sie erinnern etwa nach unten weit auslaufend an den Trompetenschnitt der 60er und 70er Jahre oder sind an den Schultern auffällig aufgebauscht, wodurch eine Silhouette entsteht, die zuletzt in den 80ern mit dicken Schulterpolstern erreicht wurde.
Statement-Krägen sind asymmetrisch geschnitten oder als riesige Revers ausgebildet, Statement-Ketten bestehen aus überdimensionalen Perlen, große Glitzersteine formen ein großzügiges Collier oder sind zu großen Buchstaben zusammengesetzt. Als Statement-Heels zählen sämtliche Absätze abseits der Norm – seien es kurios geformte Exemplare oder einfach „nur“ farblich hervorstechende Heels.
Bei den Accessoires wird die Statement-Tasche zur It-Bag, als besonderes Ausrufezeichen genügt hier oft bereits ein besonders prägnantes Logo des Herstellers. Kurz gesagt – es bleibt eigentlich kein modisches Detail mehr übrig, dass inzwischen nicht für den Statement-Trend bemüht worden wäre.
Ist das noch Statement oder einfach nur auffällig?
Wen jedes modische Detail durch eine stilistische Übertreibung zum Statement wird, bleibt die Frage ob es tatsächlich noch eine Botschaft dahinter gibt. Wo liegt die Grenze zwischen Fashion-Statements und Statement-Fashion? Gibt es dabei überhaupt einen Unterschied?
Als Fashion-Statement kann im Grunde alles bezeichnet werden – der Begriff umschreibt heute wohl am ehesten das Setzen eines stilistischen Ausrufezeichens mit einem besonders gelungenen Outfit. Was es am Ende genau ist, das die Aufmerksamkeit dabei auf sich zieht, spielt weniger eine Rolle.
Im Begriff Statement-Fashion hingegen schlummert nach wie vor der Anspruch, auch eine ganz konkrete Aussage nach außen tragen zu wollen. Selbst, wenn wir beim Shoppen alle paar Teile über dieses Wort stolpern, mit denen die verschiedensten Statement-Pieces ausgezeichnet werden, kann dahinter auch mehr stecken. Ober besser gesagt ein modisches Stück, das ganz nach der ursprünglichen Intention eine echte Message vermittelt.
In diesem Zusammenhang spielt jedoch auch der jeweilige Kontext eine Rolle. Ein bestimmtes Detail kann bei der einen Person eine ganz andere Aussage entfalten als bei einer anderen. Gleichzeitig wirken sich auch die weiteren dazu kombinierten Stücke auf das Endergebnis aus.
Understatement als Statement
Gleichzeitig kann aber unter all den überstrapazierten modischen Botschaften auch die bewusste Reduktion zum Statement werden. Bescheidenheit bekommt zwischen all den überbordenden und marktschreierischen Details eine neue Qualität und sticht seinerseits wiederum hervor.
Verschiedene Stile orientieren sich am Understatement. Sie setzen auf einfache, klare Schnitte, zurückhaltende Farben und ausgewählte, fein abgestimmte Accessoires. Oft zeigt sich etwas dezente Raffinesse in kleinen Details oder ausgesuchten, besonderen Materialien. Unter dem Strich ist jedoch auch das im modischen Vokabular als Statement-Fashion zu bezeichnen.
Mode als politisches Statement heute
Derzeit ist nach einiger Zeit wieder ein Trend zu beobachten, der zeigt, dass eine ernstgemeinte Aussage bei den modischen Statements wieder an Bedeutung gewinnt. Verschiedene Labels kehren zu den „Wurzeln“ zurück und setzen auf Teile mit politischen Botschaften.
„MAKE FEMINISM GREAT AGAIN“ ist da auf schlichten Shirts zu lesen. Oder „REVOLUTION HAS NO BORDERS“. Solche Aussagen sind heute eine Antwort auf die undurchsichtige Medienwelt, in der es heute schwer geworden ist, Fake-News von wahrheitsgemäßen Meldungen zu unterscheiden.
Es ist wieder schick geworden, Profil oder eine eigene Meinung zu zeigen und diese ganz offenkundig nach außen zu tragen. Statt als stiller Mitläufer zu gelten oder eine „mir-egal-Haltung“ einzunehmen, entscheiden sich viele wieder ganz bewusst dafür, Stellung zu beziehen. Die schlichten Statements sind dabei unmissverständlich und ganz eindeutig. Zumindest solange klar wird, dass es nicht ironisch gemeint ist.
Das Label Emerald Berlin geht ähnliche Wege, wie Katharine Hamnett. Allerdings ist es auch hier nötig, etwas hinter die modische Fassade zu blicken. Mit dem Statement „NATURAL BEAUTY“ könnte die Trägerin des entsprechenden Shirts auf sich selbst verweisen wollen. Tatsächlich steckt hinter der Wortfassade aber auch ein nachhaltig und fair produziertes Kleidungsstück.
Warum Mode sich einmischen sollte
In gewisser Weise ist Mode auch immer eine Form der Kunst. Wir müssen uns nur die phantasievollen Kreationen auf den wichtigen Fashion-Shows ansehen. Sie spiegeln stets den aktuellen Zeitgeist wider. Ganz gezielt stellen die Designer ihre Kollektionen in den Kontext aktueller Geschehnisse – sei es in der Politik oder im gesellschaftlichen Leben.
Auf diese Weise sind sie eine ganz persönliche Interpretation davon. Sie provozieren, irritieren, stellen Bekanntes in Frage und regen so zu einer öffentlichen Diskussion an. Wie andere Kunstformen auch, ist die Mode so ein Instrument der öffentlichen Kritik. Mit ihren Kleidungsstücken setzen die Labels Statements, um ihren Standpunkt zu einem bestimmten Thema kundzutun. So leisten sie einen Beitrag zur öffentlichen Debatte.
Fazit
Das ist die Herausforderung in der Modewelt: Hier werden augenzwinkernd Zitate eingesetzt, gnadenlos subkulturelle Codes oder Begriffen aus der Jugendsprache verwertet und stilistische Details der verschiedensten kulturellen Ursprünge oder Epochen miteinander neu kombiniert. Alles zusammen ergibt einen neuen Mix und gleichzeitig oft auch eine ganz neue Bedeutung.
Hier liegt es an jedem selbst, die Grenzen auszumachen und sich die passenden Statements zu seiner individuellen Persönlichkeit herauszusuchen. Beliebig gewählte Parolen werden hingegen in der Bedeutungslosigkeit versinken.