
Na, wie groß ist eure Freude, wenn das nächste Gehaltsgespräch ansteht? In etwa so groß, als hätte man euch auserkoren, das allerletzte Stück Kuchen zu essen oder fühlt es sich eher so an, als stünde der nächste Besuch bei eurer Gynäkologin bevor. Ganz ehrlich? Auf mich trifft Letzteres zu. Die Gehaltsverhandlung ist das, was ich an meinem Job nicht mag. Tagelang, nein, wochenlang mache ich mir Gedanken, welche Argumente ich als Erstes vorbringe, wie ich das Gespräch strukturiere und ob meine Vorstellungen nicht lachhaft niedrig oder hingegen schwindelerregend hoch sind.
Traurig, aber wahr: Mit dieser Einstellung und den Ängsten stehe ich nicht alleine da. Denn die Mehrheit der Frauen fragt ungern nach einer Gehaltserhöhung und verhandelt laut einer Studie des HR Journals sogar mit weniger Selbstbewusstsein als das männliche Geschlecht – nennt sich auch Confidence Gap. Klasse, noch eine geschlechtsspezifische Lücke, die dann natürlich den Gender Pay Gap beeinflusst. Um an diesen Unsicherheiten und Unterschieden etwas zu ändern, will ich mit meiner Kolumne "Cash is Queen" für mehr Selbstbewusstsein, Mut und Wissen unter uns Frauen sorgen. Dabei unterstützt mich diesmal die Karriere-Expertin Gaby Wasensteiner von LinkedIn. Sie gibt mir jede Menge Tipps und Tricks für die nächste Gehaltsverhandlung, vor der ich mich ab sofort nicht mehr verrückt machen brauche – ich zeige euch, wovon ich spreche.
"Eine gute Vorbereitung ist alles!"
Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen auf den Austausch mit Gaby Wasensteiner. Mich beschäftigen nämlich so einige Fragen: Wie viel kann ich bei einer Gehaltserhöhung fordern? Welche Argumente sind schlagkräftig? Und was tue ich, wenn kein Budget zur Verfügung steht? Um wirklich etwas zu erreichen, ist der allererste Tipp der Expertin: "Eine gute Vorbereitung ist alles!" Klar, aber wie mache ich das genau? "Vor dem Gespräch solltest du dir Gedanken darüber machen, welche Erfolge du in der letzten Zeit erzielt hast und welchen Mehrwert du damit für deinen Arbeitgeber erbracht hast." Dabei empfiehlt sie mir, mir noch einmal meine ursprüngliche Jobbeschreibung vorzunehmen und sie mit meinen aktuellen Aufgaben zu vergleichen. "Mit Tatsachen lässt es sich immer besser verhandeln als mit Vermutungen."
Dabei weiß auch die Expertin: Eine Gehaltsverhandlung ist keine alltägliche Situation. Nichtsdestotrotz erinnert sie mich: "Das Gehaltsgespräch ist genau das: ein Gespräch! Und man sollte es so entspannt wie möglich gestalten und ruhig mit einem kurzen Smalltalk starten, um miteinander 'warm' zu werden." Da die Einigung für beide Seiten fair und interessengerecht sein sollte, rät der Profi außerdem:
"Es lohnt sich, dein Gegenüber konkret zu fragen, wie er oder sie sich deine persönliche Weiterentwicklung vorstellt. Wenn klar ist, was sich beide Seiten voneinander wünschen und die jeweiligen Ziele abgesteckt wurden, kann man gemeinsam an einer guten Vereinbarung arbeiten."
Mit der "Non-Offer Offer"-Technik zum Ziel – wie geht das?
Ich resümiere: Eine genaue Vorbereitung ist die halbe Miete, aber für ein erfolgreiches Gehaltsgespräch braucht es gut überlegte Argumente. Aus eigener Erfahrung weiß ich, mittelmäßige bis schlechte Aspekte sind schnell entkräftet und dann steht man da und wünscht sich weg – ja, alles schon passiert. Aber welche Argumente sind besonders erfolgversprechend, will ich von der Karriere-Expertin wissen:
"Es kommt vor allem darauf an, wie du deine Argumente verpackst. Beispielsweise solltest du eher von einer Gehaltsanpassung statt einer Gehaltserhöhung sprechen. So kommunizierst du, dass deine Leistung über deinem aktuellen Gehalt liegt", gibt sie den ersten Tipp. Über einzelne Formulierungen hinaus hänge es natürlich vom Einrahmen der Gesamtsituation ab: "Wie sehen meine Perspektiven und die meiner Führungskraft aus? Wie kann die gemeinsame Zukunft so gestaltet werden, dass ich gerne arbeite und das Unternehmen gleichzeitig nach vorne bringe? Auch hier solltest du deine Fähigkeiten und Leistungen wieder selbstbewusst in den Fokus rücken", motiviert mich Gaby Wasensteiner.
Um seinen Wert einschätzen zu können, lohne es sich, im Vorfeld mit Kolleg:innen und anderen Personen über eine realistische Gehaltsvorstellung zu sprechen. Die Expertin erklärt mir hierfür die sogenannte "Non-Offer Offer"-Technik: "Wähle in der Verhandlung das höchste Gehalt als Referenzwert: 'Ich habe im Vorfeld unseres Gesprächs recherchiert und das Gehalt liegt hier bei bis zu 80.000 Euro.'" So verlange man keine 80.000 Euro, mache aber deutlich, dass woanders bis zu 80.000 Euro gezahlt werden. Klingt für mich nach einer guten Strategie, um nicht mit völlig aus der Luft gegriffen Werten um sich zu werfen – gefällt mir.
Jetzt mal Klartext: Wie viel Geld kann ich fordern?
Also, wo stehe ich? Der Einstieg ins Gespräch für die nächste Gehaltsanpassung ist erarbeitet und gute Argumente für eine sinnvolle Struktur sind durchdacht. Nun fehlen mir aber noch zwei weitere wichtige Aspekte. Zum einen: Wie oft kann ich überhaupt mehr Geld fordern? Und zum anderen: Wie viel mehr kann ich genau verlangen? Die LinkedIn-Expertin gibt mir einen Rahmen vor:
"Generell gilt, dass du etwa alle ein bis zwei Jahre mehr Gehalt fordern darfst und auch solltest. Es lohnt sich, regelmäßig das Gespräch zu suchen, denn selbst eine kleine Gehaltsanpassung macht auf lange Sicht einen deutlichen Unterschied."
Die Antwort auf die Frage, was ich verlangen kann, sei tatsächlich individueller. Für jede gewünschte Gehaltsanpassung sei entscheidend, ob neue und anspruchsvolle Aufgaben meinen Arbeitsalltag erweitern. Eine Zahl gibt mir Gaby Wasensteiner dennoch mit an die Hand: "In der Verhandlung selbst solltest du generell bei mindestens zehn Prozent ansetzen, da der Arbeitgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit versuchen wird, einen geringeren Prozentwert als den Geforderten zu verhandeln." In meinem Kopf rechne ich das Ganze einmal hoch, aber der Profi ist noch nicht fertig. Erfolge die Anpassung aufgrund von mehr Verantwortung oder einer Beförderung seien zehn bis 15 Prozent angemessen. Auch hier solle für das gewünschte Gehalt in einem realistischen Rahmen höher gepokert werden.
Nicht zufrieden? So klappt das Nachverhandeln laut Expertin
Eigentlich klingt das alles gar nicht so schwer. Ich sehe mich quasi schon freudestrahlend den Konferenzraum verlassen, nachdem meine Chefs meinen Forderungen kopfnickend zugestimmt haben. Na gut, Optimismus ist schön und gut, aber die Realität könnte auch eine andere sein. Was nämlich, wenn mich das Gegenangebot meines Arbeitgebers gar nicht glücklich macht? Muss ich mich nun damit abfinden, was mir vorgeschlagen wird?
"Wenn du nicht zufrieden bist, kannst du durchaus nachverhandeln. Es ist aber auch kein Problem, wenn du dich zunächst höflich bedankst und darum bittest, noch eine Nacht darüber schlafen zu dürfen. Ganz egal, wie das Gespräch für dich ausgeht, wichtig ist, dass du mit deinem Vorgesetzten klare Vereinbarungen triffst",
beruhigt mich Gaby Wasensteiner.
Es ist keine Gehaltsanpassung drin! Und jetzt?
In meinem Kopf spielt sich aber noch ein anderes mögliches Szenario ab, das ich mit dem Karriere-Profi teilen muss. Was, wenn ich allen Mut zusammengenommen habe und es dann heißt: Für eine Gehaltserhöhung gibt es aktuell kein Budget – Punkt! Klingt für mich nach einer Killerphrase. Gaby Wasensteiner macht mir aber auch hier Hoffnung und zeigt mir einen alternativen Lösungsweg auf: "Auch ohne Gehaltserhöhung kannst du einen Verhandlungserfolg erzielen: Denn auch mehr Freizeit und Flexibilität sowie Gesundheitsangebote – physisch und psychisch – zählen bei vielen Arbeitnehmer:innen zu wichtigen Benefits für ihren Arbeitsalltag." Damit könne eine verkürzte Arbeitszeit, eine Bezuschussung oder sogar die Übernahme der Kosten eines Jobtickets für den ÖPNV oder einer Fitness-Club-Mitgliedschaft gemeint sein. Gar keine schlechte Idee, wie ich finde.
Will und kann ich hingegen von der Gehaltserhöhung nicht abweichen, gibt es natürlich noch eine andere Vorgehensweise. Der zweite Weg:
"Es kann vorkommen, dass zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Gehaltsanpassung möglich ist. Ich rate dir dann, am Ball zu bleiben und nach ein paar Monaten noch einmal das Gespräch zu suchen – wichtig ist, eine Zielvereinbarung mit deinem Vorgesetzten zu treffen, beispielsweise eine schrittweise Erhöhung des Gehalts per Stufenplan."
"Das gab es noch nie bei uns" – damit überzeugt kein Arbeitgeber
Wo wir gerade von einem Totschlagargument sprachen. Ich habe in einem vergangenen Feedback-Gespräch auch noch ein anderes gehört: "Das gab es noch nie bei uns" – dieser Satz sei von Arbeitgeberseite kein überzeugendes Argument in einer Gehaltsverhandlung, erklärt die LinkedIn Expertin. "Es ist okay, die Ausnahme von der Regel zu sein. Auch hier hilft es, wenn du dir gute Argumente überlegst, die die eigene Forderung unterstützen. Geht es beispielsweise nicht um Geld, sondern um ein individuelles Arbeitszeitmodell, könnte ein neu aufgesetzter Umsetzungsplan überzeugen, mit dem auch anderen Kolleg:innen der Weg geebnet wird."
Von der Mitarbeiterin, die es nicht leiden kann, um ihr Gehalt zu verhandeln, zur Pionierin für weitere Personalgespräche? So stelle ich mir den Sinn und Zweck von "Cash is Queen" vor.

LinkedIn Karriere-Expertin