[Triggerwarnung: Dieser Text thematisiert sexuelle Gewalt gegen Frauen.]
Mehr als jede zweite Frau wurde bereits einmal in ihrem Leben sexuell belästigt – mehr als zwei Drittel aller Frauen von männlichen Kollegen oder Vorgesetzten an ihrem Arbeitsplatz. Wer diese Zahl hört, ist zunächst sprachlos. Runtergerechnet würde das schließlich bedeuten, dass jede:r mindestens eine Frau kennt, die bereits Opfer von sexueller Belästigung wurde – viele gehören selbst zu den Betroffenen. Als Frau verdrängt man diese Vorfälle jedoch schnell – weil es für uns zum Alltag gehört. Mit dem Schlüssel in der Hand, nur in bequemen (praktischen) Schuhen zu Fuß und dem Blick immer über die Schulter gerichtet, bewegen wir uns durchs Leben.
Doch die andauernde Angst sollte nicht zu unserem Alltag gehören. Um mehr Bewusstsein zu schaffen, möchten wir also diese Plattform nutzen, um den öffentlichen Diskurs rund um das Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu fördern.
Sexuelle Belästigung: 3 Frauen teilen ihre Erfahrungen
1. Erfahrung: "Er fotografierte mich heimlich auf der Arbeit"
"Frisch nach dem Studium fing ich meine erste Festanstellung an. Bereits nach wenigen Wochen im Unternehmen kontaktiere mich mein 20 Jahre älterer Vorgesetzter über Facebook und zeigte Interesse an mir. Nachdem ich ihm daraufhin mitteilte, dass ich kein Interesse habe und Privates und Berufliches in diesem Kontext strikt trennen möchte, akzeptierte er kurzzeitig meine Entscheidung, kontaktiere mich aber wieder und wieder.
Er schrieb mir, dass er mich gerne privat zum Dinner einladen würde, später auch, dass er mich gerne in seinen Armen hätte, mich küssen würde. Es kamen sogar Fotos – teilweise auch nackt – von ihm. Weitere Wochen vergingen, in denen er mir ungefragt seine Leidenschaften im Bett beschrieb. Er fotografierte mich heimlich auf der Arbeit und schickte mir anschließend das Foto mit dem Kommentar, wie toll ich doch aussehe. Er wünschte sich Fotos (nackt) von mir, besonders am Morgen. Er wünschte sich Videos von mir, in denen ich mich selbst befriedige. Er wünschte sich, dass wir Sex in seinem Büro haben und beschrieb mir intensiv, wie er sich dies vorstellte.
Ich hatte das Gefühl, je mehr ich mich wehrte, je stärker wollte er seine Macht ausüben.
Ich hatte das Gefühl, je mehr ich mich wehrte, je stärker wollte er seine Macht ausüben. Ich wollte zu dem Zeitpunkt nicht wahrhaben, dass es sich hierbei um sexuelle Belästigung handelt. Jahre danach weiß ich, dass es genau das war."
2. Erfahrung: "Ich müsse ja endlich mal was aus mir machen"
"Irgendwann fing mein Chef an, mir Mails zu schreiben. Wenn ich mal früh im Büro war oder noch spät Mails geschrieben hab, kamen Nachrichten wie 'du bist aber fleißig' etc. Irgendwann fragte er mich, wann wir denn zusammen Urlaub machen würden und wohin es gehen würde.
Auf einer Weihnachtsfeier sagte er, als er angetrunken war, dass ich nächstes Jahr um diese Zeit von ihm schwanger sei und verheiratet. Ich müsse ja endlich mal was aus mir machen. Man muss dazu sagen, dass dieser Mann circa 20 Jahre älter und verheiratet war mit zwei Kindern.
Nach der Feier wollte ich ins Hotel und plötzlich stieg mein Chef zu mir ins Taxi. Er fragte mich, ob er mir eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen darf, also mit in mein Zimmer kommen darf, was ich verneinte. Er war betrunken und folgte mir zu meinem Zimmer. Kurz vor der Tür versuchte er, mich zu küssen.
Als ich öffnete, stand dort ein junger Kollege völlig nackt und machte den Propeller.
Etwas später klopfte es an meiner Tür. Als ich öffnete, stand dort ein junger Kollege völlig nackt und machte den Propeller. Mir war das so unangenehm und ich knallte die Tür zu. Er tat am nächsten Tag so, als sei es das Normalste der Welt."
3. Erfahrung: "Er machte mir unmissverständlich ein Angebot, mit ihm zu schlafen"
"Viele Männer haben gerne auf Firmenveranstaltungen den Kontakt gesucht und dabei auch immer die Hand um mich gelegt, zum Beispiel ganz tief an der Hüfte oder die Hand auf dem Oberschenkel. Es war mir damals sehr unangenehm. Ich war noch sehr jung und habe mich nicht verbal gewährt. Ich habe aber zumindest immer die Beine weggezogen oder bin gegangen wenn mir jemand zu nah gekommen ist. Ein viel schlimmeres Ereignis hatte ich jedoch während meiner Uni-Zeit.
Ich war in einem Kurs durchgefallen und wollte mich mit dem Dozenten treffen, um über meine verpatzte Prüfung zu sprechen und mir Tipps für die nächste abzuholen. Wir trafen uns in der Uni. Er machte mir unmissverständlich ein Angebot, mit ihm zu schlafen – dann würde ich die Prüfung beim nächsten Mal bestehen. Alleine, wenn ich jetzt dran denke, wird mir schlecht … Ich war total schockiert und bin einfach rausgestürmt.
Ich würde heute vieles anders machen. Wichtig ist aber, dass Frauen sich nicht davor fürchten einzugreifen, wenn solche Übergriffe passieren."
Wichtig ist, dass Frauen sich nicht davor fürchten einzugreifen, wenn solche Übergriffe passieren.
Hilfe für Betroffene
Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist nicht nur körperlich. Verbale Gewalt in Form von der alltäglichen Anmache, frauenfeindlicher Sprache oder obszönen Witzen, Beschimpfungen und Gesten gehört auch dazu. Habt ihr sexuelle Gewalt auch schon erlebt? Beim offiziellen Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" findet ihr unter der Nummer 08000 116 016 jederzeit Unterstützung – anonym und rund um die Uhr erreichbar.