
VIELEN KOMMT’S SICHERLICH so vor, als wäre Halle Bailey (23) wie aus dem Nichts im Ozean aufgetaucht. Dabei stand der Star des neuen "Arielle, die Meerjungfrau"-Films bereits mit elf Jahren vor der Kamera. Großen Erfolg als Sängerin hat sie übrigens auch. Zusammen mit ihrer Schwester war sie als Duo Chloe x Halle 2021 für drei Grammys nominiert. Wir haben mit Halle über ihre Verantwortung als Disneyprinzessin und ihre Mentorin Beyoncé gesprochen.
Wann haben Sie die Zeichentrick-Arielle zum ersten Mal gesehen?
Mit fünf, das weiß ich noch ganz genau. Wir hatten eine VHS-Kassette, und meine ältere Schwester schob sie in unseren Videorecorder. Ich war schockverliebt, und Arielle wurde auf Anhieb meine Lieblings-Disneyprinzessin.
Fiel es Ihnen als Schwarzes Mädchen nicht schwer, sich mit einer rothaarigen, weißen Heldin zu identifizieren?
Es blieb uns ja nichts anderes übrig. Weil es an Figuren mangelte, die so aussahen wie wir. Und man gewöhnte sich daran. Aber ich finde es großartig, dass sich die Welt verändert hat und Disney keine Scheu zeigte, eine junge Schwarze Frau wie mich als Arielle zu besetzen. Es ist ein bedeutender Moment, aber es wurde auch höchste Zeit. Kinder aus der Schwarzen Community erleben endlich, wie es ist, im Kino repräsentiert zu werden. Natürlich bin ich wahnsinnig stolz und fühle mich geehrt, dass ich einen kleinen Anteil daran habe.
Waren Sie überrascht, als man Sie fürs Arielle-Casting anfragte?
Ich war fast schon schockiert, dass Disney überhaupt eine Realversion drehen wollte. Ich flog zum ersten Casting nach New York und traf dort den Regisseur Rob Marshall. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war.
Hat er Sie vom Fleck weg engagiert?
Oh nein, es gab etliche Callbacks und erst sehr viel später Probeaufnahmen. Erst da habe ich mir den Gedanken erlaubt, wie cool es wohl wäre, wenn ich die Rolle bekäme. Als Disney sich für mich entschied, war meine Freude unbeschreiblich. Ich musste quasi sofort nach London fliegen, wo die Dreharbeiten statt fanden, und mich in die Aufgabe stürzen.
Rob Marshall lobt Sie als "diese seltene Kombination aus Geist, Herz, Jugend, Unschuld und Substanz". Vergaß er zu erwähnen, dass Sie auch fantastisch schwimmen und tauchen können?
(lacht) Ach, die meisten Unterwasserszenen haben wir mithilfe von Spezialeffekten realisiert. Aber es machte trotzdem Spaß, wenn ich im Wasser drehen musste, etwa die Szenen am Schiffswrack mit Jonah (Hauer-King, der den Prinzen spielt, Anm. d. Red.). Wenn die künstlichen Wellen und der Studioregen angeworfen wurden, kam es mir wirklich so vor, als wäre ich mitten im Ozean. Tatsächlich hing ich aber öfter an Seilen in der Luft, wenn es darum ging, die Schwerelosigkeit unter Wasser zu simulieren.
Ihren ersten Film haben Sie mit elf gedreht, jetzt sind Sie 23 ...
... und es fühlt sich an, als wäre die Zeit im Flug vergangen. Ich habe mit Werbespots begonnen, aber dann gewann die Musik die Oberhand. An die Schauspielerei habe ich lange Zeit keinen Gedanken mehr verschwendet.
Sie waren 16, als Beyoncé Sie und Ihre Schwester Chloe unter Vertrag nahm.
Das war der absolute Wahnsinn! Seit ich denken kann, bin ich ein Riesenfan von Beyoncé, sie hat mich und so viele andere inspiriert. Ihr habe ich es zu verdanken, dass ich heute bin, wo ich bin. Sie hat für so viele Schwarze – und gerade Schwarze Frauen – die Tür geöffnet. Sie können sich nicht vorstellen, was es für meine Schwester und mich bedeutete, dass sie damals an uns und unser Talent glaubte.
Ist sie Ihre Mentorin geworden?
Ja, absolut! Ich schätze ihre Meinung und ihre Ratschläge immens, denn sie hat all das, was ich gerade erlebe, selbst schon durchgemacht. Sie weiß, auf was ich mich einstellen und wie ich mit den Dingen umgehen muss, die auf mich zukommen. Eine wie Beyoncé an meiner Seite zu haben fühlt sich unglaublich gut an.
Was auf Sie zukam, waren gleich nach Bekanntgabe Ihres Engagements als Arielle unzählige Hasskommentare auf Social Media. Wie sehr haben Sie diese rassistischen Beleidigungen verletzt?
Ach, man wird ja permanent kritisiert. Und ich habe so jung angefangen, dass ich mir ein dickes Fell zulegen konnte. Als Schwarze US-Amerikanerin muss ich außerdem sagen, dass gerade wir Frauen täglich Rassismus erleben. Deshalb war ich weder überrascht noch schockiert, welchen Hass meine Wahl auslöste. Ich habe versucht, mich auf die positiven Reaktionen zu konzentrieren und auf die Unterstützung, die aus meiner Community kam, insbesondere von all den kleinen Mädchen, die sich unbändig freuten, dass eine von ihnen Arielle spielen würde.
Lastet als Schwarze Disneyprinzessin großer Druck auf Ihnen?
Klar, die Verantwortung ist nicht zu unterschätzen, aber ich empfinde sie nicht als etwas Negatives. Ich will alles dafür tun, damit die kleinen Schwarzen Mädchen Grund haben, stolz auf mich zu sein.
Bislang sind Sie ja vor allem im Team mit Ihrer Schwester Chloe aufgetreten. Sie singen zusammen, spielen zusam- men, wohnen zusammen. Doch jetzt machen Sie Solokarriere als Disney- Star. Wie geht Chloe damit um?
Wir sind die dicksten Freundinnen und gönnen uns unsere Erfolge. Wir sind fast wie Zwillinge, unzertrennlich. Dabei ist Chloe zwei Jahre älter als ich. Ich habe immer zu ihr aufgeschaut, wollte immer sein wie sie. Ihre schwesterliche Unterstützung bedeutet mir sehr, sehr viel.
Gleich nach "Arielle, die Meerjungfrau" haben Sie eine der Hauptrollen im Musical-Remake von Steven Spielbergs "Die Farbe Lila" gespielt, das Ende des Jahres anläuft.
Schätze, ich bin ein Glückspilz. Auch "Die Farbe Lila" ist eine dieser klassischen Geschichten, die jede Generation aufs Neue berühren. Meiner Familie und meiner Community bedeutet sie jedenfalls sehr viel. Um so dankbarer bin ich, dass ich bei diesem Projekt mit dabei sein kann. Zumal ich ja auch noch einen Originalsong beisteuern durfte.
Spätestens dann wird Sie niemand mehr mit Halle Berry verwechseln. Sind Sie ihr eigentlich mal begegnet?
Nein, noch nicht. Dabei wünsche ich mir das so sehr! Sie ist eine tolle Frau. Immerhin hatten wir schon auf Social Media Kontakt. Ursprünglich wollten meine Eltern mich Hailey nennen, aber Hailey Bailey – das klang nun wirklich bescheuert. (lacht) Also wurde aus Hailey Halle, und nun sprechen mich die Leute ganz oft mit Halle Berry an. Aber das macht mir nichts aus. Halle Berry ist einfach fabelhaft. Mit ihr lasse ich mich gern verwechseln!