Sommermärchen in Pink? Darum sind die EM-Trikots eine gute Wahl

"Das ist doch ein Frauentrikot" oder "Das Trikot will keiner haben": So kommentieren User das pinkfarbene Adidas-Shirt für die EM im eigenen Land. Warum ich diesen Kritikern die rote Karte zeige und das Trikot als richtiges Zeichen ansehe, verrate ich dir. 

 

DFB-Tirkot pink© picture alliance
Die von Adidas gelaunchten Trikots in Knallpink und Lila sorgen im Netz für große Diskussionen und spalten die Fußballfans. 

Am Donnerstag, den 14.03., stellte Adidas die langersehnten Spieloutfits vor, in denen die Deutsche Nationalmannschaft zur EM auflaufen wird. Unter dem Motto "Typisch Deutsch" präsentierte die Sportbrand neben dem Trikot in klassischem Weiß auch ein weitaus auffälligeres Fußballshirt, das für reichlich Gesprächsstoff sorgte: Das Trikot in Barbiepink und Lila, welches die Fußballer bei Auswärtsspielen tragen werden, löste auf sämtlichen Social-Media-Kanälen heftige Debatten darüber aus, was männlich ist und was im Fußball modisch erlaubt ist. Zahlreiche User brüskieren sich noch immer über das sogenannte "Barbie-Dress" und werten es als optisches No-Go. Andere hingegen zeigen sich begeistert. Kurz: Die Fußballwelt ist gespalten wie lange nicht. Warum die pinkfarbenen Trikots aus meiner Sicht lange überfällig und ein richtiges Signal sind, möchte ich hier mit dir teilen. 

Nach Shitstorm: So reagieren Adidas und der DFB

Sowohl am DFB als auch am Trikothersteller Adidas gingen die negativen Kommentare natürlich nicht spurlos vorbei. Doch Kritikern überließen sie nicht das Spielfeld und veröffentlichten am Sonntag einen Spot, in dem die Fußballspieler selbst sowie weitere prominente Persönlichkeiten, darunter Model Lena Gercke, TikTokerin Aleandra Ferk und Rudi Völler, die negativen Kommentare auf die Schippe nahmen:

Und auch Bundestrainer Julian Nagelsmann äußerte sich zur Debatte: 

"Ich finde es gut, dass es nicht immer das Gleiche ist. Alleine, dass jetzt schon heftig über das Auswärtstrikot diskutiert wird, zeigt, dass es die richtige Entscheidung war".

Darum sind die pinkfarbenen EM-Trikots eine gute Wahl

Dass ein pink- und lilafarbenes Trikot für so viel Aufsehen und Diskussionsstoff sorgt, hätte wohl auch der Hersteller Adidas nicht für möglich gehalten. Doch anhand dieser Debatte zeigt sich wieder einmal: Ein großer Teil der Gesellschaft ist anscheinend noch in alten Strukturen verhaftet, in denen Männer klassischerweise Blau tragen und die Farben Rosa, Pink und Lila lediglich Frauen vorbehalten sind. Aus meiner Sicht ist es daher höchste Zeit, dieses starre Konstrukt aufzubrechen – und der Fußballkosmos scheint dafür ein vielversprechender Raum zu sein. Denn pünktlich zur EM mutieren wieder 83 Millionen Menschen hierzulande zu Nationaltrainern, sprich: Fußball als Breitensport geht jeden was an bzw. die EM erreicht oder interessiert viele Personen. Umso größer scheint der Effekt und das Umdenken, welches erzielt werden kann. 

Hinzu kommt, dass das Image der Nationalmannschaft nach diversen sportlichen Misserfolgen und moralischem Fehlverhalten angeschlagen ist. Das pinkfarbene Trikot werte ich endlich als ein Zeichen in die richtige Richtung  – hin zu einem zeitgemäßeren und toleranteren Auftreten. Zuletzt punktete der DFB nämlich nicht gerade mit fortschrittlichem und vorbildlichen Verhalten. Fragwürdige Verletzungen der Menschenrechte wurden während der WM in Katar gekonnt ignoriert. Positionierung und Haltung? Fehlanzeige. Die Aktion der Nationalspieler, die sich mit ihren Händen den Mund zuhielten und so auf stille Weise gegen die Verhältnisse im Gastgeberland protestierten, reichten bei weitem nicht aus. Und auch das Tragen einer Kapitänsbinde mit Regenbogenmotiv wurde seitens der Fifa als "zu starkes Symbol" abgewehrt. Der Launch eines pinkfarbenen Trikots ist daher ein dringend notwendiger Schritt in die richtige Richtung – hin zu mehr offen gelebter und zur Schau gestellter Diversität. Das Trikot als modisches Tool ist daher eine tolle Gelegenheit, dieses (neue) Mindset der Nationalmannschaft plakativ sichtbar zu machen. Geschlecht sollte nicht als starres Konstrukt begriffen werden, sondern als Möglichkeit, sich ohne Grenzen individuell auszuleben. 

Und auch aus meiner Perspektive als Mode-Redakteurin trifft die Einführung eines pinkfarbenen Trikots den Nerv der Zeit. Schließlich liegt spätestens nach dem Filmerfolg "Barbie" die Knallfarbe im Trend. Barbiecore ist in – und das nicht nur Abseits des Fußballfeldes, sondern vor allem jetzt auch auf dem Sportplatz. Übrigens sind pinkfarbene Trikots bei weitem nichts Neues. Mannschaften wie Juventus Turin, AC Milan oder Inter Miami tragen schon lange die auffällige Nuance. Höchste Zeit also, dass Deutschland nachzieht!

Doch auch ich bin nicht mit sämtlichen Punkten der Kampagne konform. Zwar begrüße ich das geschlechtsunabhängige Tragen von pinken Trikots, jedoch empfinde ich das Motto "Typisch Deutsch", unter dem der Launch stattfand, als problematisch. Was ist heutzutage schon "typisch Deutsch"? In einer vielfältigen und diversen Gesellschaft sollten wir weniger auf stereotypische Verhaltensweisen bestimmter Nationalitäten beharren, sondern vielmehr auf einheitsstiftende Elemente setzen, wie beispielsweise Spaß am Fußball oder Mode – egal welche Herkunft, Geschlecht oder Aussehen unser Gegenüber hat.

Sommermärchen in Pink? Yes, please!

Ich finde: Die Debatte um die pinkfarbenen Trikots zeigt auf beispielhafte Weise, wie sich weite Teile der Gesellschaft immer noch gegen Innovationen bzw. längst überfällige Schritte wehren. Die Etablierung offenerer Denkweisen ist innerhalb einer breiten Bevölkerungsgruppe dringend notwendig. Das Trikot ist nicht nur aus gesellschaftlicher Sicht ein echter Volltreffer, sondern beweist zudem, wie sehr Mode polarisiert und welche Macht sie ausübt.

Verwendete Quellen: instagram.com, adidas.com, sportschau.de