Susanne Wuest: "Dieses ständige mit dem Finger auf Menschen zeigen, das ist das Letzte!"

"Wie eine jüngere Schwester von Tilda Swinton“, so beschrieb ein Kollege mal die österreichische Schauspielerin Susanne Wuest (35). Die Wahlberlinerin selbst muss schmunzeln bei dem Vergleich, freut sich aber über das Kompliment: Auch sie liebt extreme, experimentelle Filme – und genau so einer ist das – sehr sehenswerte – Horrordrama "Ich seh, ich seh“.

Susanne Wuest: “Dieses ständige mit dem Finger auf Menschen zeigen, das ist das Letzte!“© picture alliance
Susanne Wuest: “Dieses ständige mit dem Finger auf Menschen zeigen, das ist das Letzte!“

Der Film wühlt einen ziemlich auf. Wie würden Sie die Geschichte zusammenfassen?

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Film zu beschreiben. Die erste: Es geht um eine Frau, die nach einer Operation zurück nach Hause in ihr wunderschönes, entlegenes Heim kommt, wo ihre beiden neunjährigen Jungs schon auf sie warten. Aufgrund ihres Verbands sieht sie für die Kinder monströs aus – und sie benimmt sich auch ganz anders, als sie es erwarten würden. Sie glauben irgendwann, dass es sich nicht mehr um ihre Mutter handelt. Die zweite: Es ist eine Geschichte über Identitätsverlust und das Abhandenkommen von Liebe. Was geschieht, wenn man ein Trauma innerhalb der Familie nicht aufarbeitet? 

Es geht auch um das Thema Schönheit und die Manipulation seines Aussehens.

Die Frau will sich die Vergangenheit, die letzten zehn Jahre, aus dem Gesicht wischen. Sie ist in den Medien tätig, sie ist eine Art Glücksfee im Fernsehen, da ist ihr Aussehen wichtig, aber es geht ihr eher darum, wieder so jung auszusehen, wie sie es vor ihrer Ehe und vor ihrem Unfall tat. Es geht ihr auch um Schönheit. Aber der Irrglaube ist natürlich, dass sie hofft, wenn sie anders aussieht, wird auch ihr Seelenleben dem folgen und es ihr besser gehen.

Der Film ist auch eine Anspielung auf die Sendung „The Swan“, wo normale Frauen, die unzufrieden mit sich waren, komplett verändert wurden – anschließend sahen sie ganz anders aus, wie Barbies.

Es ist ja immer die Frage, wie was gemacht wird und wo man persönlich leidet. Ich hatte als Kind eine sehr dicke Brille, wegen der ich gehänselt wurde. Ich habe dann Kontaktlinsen ausprobiert. Und obwohl mir die sehr weh taten und ich sie nicht vertrug, habe ich das in Kauf genommen. Das ist ja kein Vergleich zu einer krassen Schönheits-OP, aber da fängt es ja schon an. Aber grundsätzlich muss das jede und jeder selbst für sich entscheiden, es geht ja auch um die Freiheit mit seinem Körper zu tun, was man möchte.

Gerade bei Schauspielerinnen ist Schönheit und Jugend ein sehr ambivalentes Thema.

Absolut. Einerseits sollen sie extrem jung aussehen. Andererseits wird ihnen aufs Schärfste vorgeworfen, wenn sie etwas gegen das Altern tun. Genauso mit dem Styling – das ist doch brutal! Die Welt hat doch eigentlich andere Probleme, als sich über die Falten oder das Gewicht von Frauen zu echauffieren. Alle sollen wir dünn sein, ist es dann jemand, wird ihm gleich eine psychische Störung der Magersucht vorgeworfen! Dieses ständige mit dem Finger auf Menschen zeigen, das ist das Letzte. Und das Spannungsverhältnis in das man Frauen damit setzt ist schizophren.

Wie nehmen Sie persönlich den Druck wahr?

Jedes Alter birgt ja für jede Frau unterschiedliche Rollen. Ich finde die Möglichkeiten für mich jetzt, da ich nicht mehr in den Zwanzigern bin, viel spannender. Ich kann für mich nur sagen: More years, more fun! Klar habe ich nicht mehr die Haut einer 20-jährigen, die Zeiten sind vorbei. Aber die Reife, die man bekommt und die Rollen, die man damit angeboten bekommt, finde ich unbezahlbar. Gleichzeitig ist es natürlich etwas dekadent, in meinem Fall übers Altern zu reden: Ich bin 35!

Was tun Sie persönlich für Ihr Aussehen?

Ich lebe ja in Berlin, da muss man nicht so viel Aufwand betreiben wie in Wien. Mich schön anzuziehen macht mir großen Spaß, aber es ist auch eine Kunst für sich, weshalb ich privat nicht so viel Wert darauf lege. Ich schminke mich privat auch nicht. Aber wenn man dann mal gut aussehen muss für eine Veranstaltung, dann hat man ja ein Team von Stylisten, Designern und Co, die einem helfen. Also eigentlich kann man nur jedem sagen: Schlaf, Ruhepausen, viel Wasser trinken. Was auch hilft ist das Mineralize Face Powder von MAC und die Stress Relief Eye Masks von Esteé Lauder – das sind Wundermittel! Tatsächlich ist es erstaunlich, wie High Tech die Kosmetikprodukte heute sind!

Ein Kollege beschrieb Sie mal mit den Worten „Man muss sich Susanne Wuest wie eine jüngere Schwester von Tilda Swinton vorstellen“. Ist das ein Kompliment für Sie?

Alle brauchen ja immer Vergleiche, das war als Kompliment gemeint und so gesehen freue ich mich. Aber es geht glaube ich gar nicht mal um einen Qualitätsvergleich unseres Schauspiels, sondern auch um die eher experimentellen Filme, die wir beide machen. Aber ein Komparativ lenkt auch immer eher ab.

Sie arbeiten seit einiger Zeit mit Burberry zusammen. Was fasziniert Sie an dem Label?

Ich war schon als Kind wahnsinnig in England verliebt, ich las die ganzen Sherlock-Holmes-Bücher und als ich das erste Mal dort war, war ich fasziniert. Allein wegen der roten Telefonzellen! Burberry ist ein sehr britisches Label. Ich mag, dass die Sachen sehr klassisch sind aber immer auch einen Twist haben: Oh, ein Trenchcoat! Und auf den zweiten Blick sieht man dann dieses wundervolle Futter oder versteckte Taschen. Zudem stehen mir die Sachen und ich fühle sehr wohl darin.

Verraten Sie uns noch, was Sie diesen Sommer auf keinen Fall auf Ihrem Kultur-Radar verpassen wollen?

Ich muss unbedingt die Ausstellung von Lee Miller in der Wiener Albertina sehen, sie geht bis August. Miller war eine dermaßen spannende Person! Sie war erst Model,dann Fotojournalistin und Kriegsfotografin. Es braucht mehr Menschen wie sie. Menschen mit Mut, die sich irgendwann fragen: Okay, worauf kommt es wirklich an im Leben? Und wie verändere ich Umstände? Und sie machte auf das Leid aufmerksam. Uns allen geht es ja immer noch sehr gut. Wir leben im Grunde genommen in einem Luxus während neben uns die Menschen leiden und sterben.

Interview: Roland Rödermund