
In einer Welt, in der Frauen zunehmend nach Selbstbestimmung und Flexibilität streben, gewinnt das Thema Egg Freezing an Bedeutung – sei es aus sozialen, beruflichen oder medizinischen Gründen. Johanna Rief, Gründerin von Fyrce Care, steht an der vordersten Front dieser Entwicklung und eröffnet mit ihrer Plattform neue Perspektiven für Frauen, die ihre biologische Uhr in Einklang mit ihrem Lebensentwurf bringen möchten. In unserem Interview beleuchten wir mit ihr die vielseitigen Aspekte des Egg Freezing, die Herausforderungen und Chancen, die es bietet, und wie es als Instrument für mehr Freiheit in der Lebensplanung wahrgenommen wird.
Grazia: Das Thema Egg Freezing wird gesellschaftlich immer relevanter. Was genau steckt dahinter und welche Gründe gibt es?

Gründerin von Fyrce Care
Johanna Rief: Das Einfrieren von Eizellen, auch bekannt als Egg Freezing, gewinnt immer mehr anBedeutung und das aus mehreren Gründen.
Zum einen hat sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt: Frauen haben heute mehr Möglichkeiten, ihr Leben und ihre Zukunft selbstbestimmt zu gestalten – sei es in Bezug auf Karriere, Partnerschaft oder Familienplanung.
Zum anderen werden gesundheitliche Faktoren immer relevanter. Erkrankungen wie Endometriose oder das Polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) bleiben oft lange unerkannt, können aber die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Immer mehr Frauen erhalten heute endlich eine fundierte medizinische Diagnose und suchen nach Wegen, ihre Chancen auf eine spätere Schwangerschaft zu erhalten.
Für welche Frauen und aus welchen Gründen ist Egg Freezing sinnvoll?
Grundsätzlich kann Egg Freezing für alle Frauen sinnvoll sein, die ihre Fruchtbarkeit für die Zukunft bewahren möchten. Medizinische Gründe spielen dabei eine Rolle, etwa wenn eine Erkrankung oder eine bevorstehende Krebstherapie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnte.
Aber in etwa 70 % der Fälle entscheiden sich Frauen für das Einfrieren ihrer Eizellen aus nicht-medizinischen Gründen und somit für das "Social Freezing" – oft, weil sie aktuell keinen Partner oder nicht den richtigen gefunden haben. Weitere Faktoren können eine bewusste Karriereplanung oder einfach das Gefühl sein, noch nicht bereit für ein Kind zu sein. Die Realität ist: In Europa bekommen Frauen ihr erstes Kind durchschnittlich erst mit über 30, doch bereits ab Anfang 30 beginnt die Fruchtbarkeit langsam zu sinken.
Warum wird Egg Freezing auch als Social Freezing bezeichnet?
Der Begriff "Social Freezing" wird verwendet, wenn Eizellen nicht aus medizinischen Gründen eingefroren werden, sondern aus sogenannten "sozialen" Gründen. Das kann zum Beispiel der Wunsch nach einem passenden Partner, berufliche Prioritäten oder das Gefühl sein, noch nicht bereit für ein Kind zu sein.
Im Gegensatz dazu kann beim medizinisch begründeten Egg Freezing – etwa vor einer Chemotherapie – unter bestimmten Voraussetzungen eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse erfolgen. Beim Social Freezing müssen die Kosten in der Regel selbst getragen werden.
Warum ist Social Freezing bzw. Egg Freezing noch immer ein Tabuthema?
Das Thema Fruchtbarkeit ist für viele Frauen nach wie vor mit emotionalem Druck und gesellschaftlichen Erwartungen verknüpft.
Während Männer mit 40+ oft als attraktiv und erfolgreich gelten, wird Frauen in diesem Alter schnell unterstellt, den "richtigen Zeitpunkt" verpasst zu haben.
Zudem wird offen über reproduktive Möglichkeiten zu sprechen – ob Egg Freezing, IVF oder ein bewusster Verzicht auf Kinder – in vielen Kreisen immer noch als zu privat oder sogar egoistisch empfunden. Dabei geht es in Wahrheit um Selbstbestimmung und Aufklärung. Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir darüber sprechen.
Wie läuft ein Ei-Einfrierzyklus ab und welche Schritte sind dabei involviert?
Ein Zyklus zum Einfrieren von Eizellen dauert etwa zwei Wochen und ist eine gut erforschte, bewährte Methode mit minimalem medizinischem Risiko.
Zunächst spritzt man sich über 8 - 12 Tage selbst Hormone in Form von Pens, wie sie auch bei Diabetes verwendet werden. Diese enthalten körpereigene Hormone in höherer Konzentration, um mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen zu lassen.
Nach dieser Stimulationsphase folgt ein kurzer, minimalinvasiver Eingriff unter Narkose, bei dem die Eizellen per Punktion entnommen werden. Der Eingriff dauert nur etwa 15 - 20 Minuten.
Die gewonnenen Eizellen werden anschließend eingefroren und können über Jahre hinweg gelagert werden.
Gibt es ein ideales Alter, um Eizellen einfrieren zu lassen?
Das ideale Alter für das Einfrieren von Eizellen liegt zwischen Mitte 20 und Anfang 30, da in dieser Phase sowohl die Anzahl als auch die Qualität der Eizellen am höchsten sind. Dennoch entscheiden sich die meisten Frauen aktuell erst in ihren Mitt- bis Enddreißigern für Egg Freezing. Das kann bedeuten, dass mehrere Zyklen notwendig sind, um eine ausreichende Anzahl an Eizellen zu gewinnen.
Letztendlich ist es „nie zu spät“, wenn ein Kinderwunsch besteht. Allerdings nimmt mit zunehmendem Alter die Zahl gewinnbarer Eizellen ab, sodass individuell abgewogen werden muss, ob der Aufwand und die Kosten noch verhältnismäßig sind.
Wie hoch sind die Erfolgsraten und welche gesundheitlichen Risiken gibt es?
Erfolgsraten lassen sich nicht pauschal angeben, da sie stark vom Alter der Frau sowie der Anzahl und Qualität der Eizellen abhängen. Durchschnittlich werden pro Zyklus etwa 8 bis 15 Eizellen entnommen. Um die Wahrscheinlichkeit einer späteren Schwangerschaft zu erhöhen, wird empfohlen, insgesamt mindestens 15 bis 20 reife Eizellen einzufrieren. Da nicht alle eingefrorenen Eizellen den Auftauprozess überstehen oder sich erfolgreich befruchten lassen.
Mithilfe eines Anti-Müller-Hormon-Tests (AMH-Test) und eines vaginalen Ultraschalls kann vorab abgeschätzt werden, wie viele Eizellen eine Frau noch hat. Die tatsächliche Qualität zeigt sich jedoch erst nach der Entnahme.
Wie hoch sind die Kosten für Egg Freezing?
Die einmaligen Kosten liegen bei etwa 3.500 bis 4.000 € und decken Medikamente, ärztliche Betreuung sowie den Eingriff ab. Zusätzlich fallen jährliche Lagergebühren von etwa 350 bis 400 € an.
Werden die Kosten von Krankenkassen oder Versicherungen übernommen?
Nur in bestimmten medizinischen Fällen, wie etwa bei einer bevorstehenden Krebstherapie. Für viele Frauen mit Endometriose oder PCOS gibt es jedoch keine Kostenübernahme, obwohl diese Erkrankungen erwiesenermaßen die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können.
Wie beeinflusst der gesellschaftliche Druck und die "biologische Uhr" Frauen in ihrer Entscheidung für Egg Freezing?
Der gesellschaftliche Druck ist definitiv spürbar. Frauen werden oft in die Rolle gedrängt, Kinder bekommen zu müssen und wer sich dagegen entscheidet oder noch keinen passenden Zeitpunkt gefunden hat, wird häufig kritisch beäugt. Gleichzeitig ist der biologische Faktor nicht zu leugnen: Die Fruchtbarkeit nimmt mit dem Alter ab, und das ist ein Aspekt, den man nicht ignorieren kann.
Welche Vorteile hat Egg Freezing für Frauen?
Egg Freezing kann Frauen Zeit, Flexibilität und eine gewisse Sicherheit bieten.
Selbst wenn eine Frau ihr erstes Kind mit 30 bekommt, könnte es später schwieriger werden, weitere Kinder zu bekommen. Das Einfrieren von Eizellen ist also eine Art "Backup-Plan", auch wenn es keine 100%ige Garantie gibt.
Kann Egg Freezing den gesellschaftlichen Druck auf Frauen reduzieren?
Viele Frauen, die sich für Egg Freezing entschieden haben, bereuen es nicht – das habe ich immer wieder in Gesprächen erfahren. Es kann helfen, mehr Freiheit bei der Familienplanung zu gewinnen, da keine übereilte Entscheidung getroffen werden muss.
Inwiefern unterscheiden sich gesellschaftliche Erwartungen an Männer und Frauen beim Thema Fruchtbarkeit und Familienplanung?
Männer haben in der Regel mehr Zeit, da ihre Fruchtbarkeit nicht so schnell abnimmt wie die von Frauen. Zudem übernehmen Frauen immer noch den Großteil der Care-Arbeit, weshalb die Entscheidung für Kinder oft weitreichendere Konsequenzen für sie hat. Während ein Mann mit Anfang 40 ohne Kinder nicht zu sehr bewertet wird, wird eine Frau in diesem Alter schnell als "verzweifelte Katzenlady" abgestempelt.
Gleichzeitig wird Unfruchtbarkeit oft als "Frauenproblem" dargestellt, obwohl die Ursachen bei heterosexuellen Paaren gleichmäßig verteilt sind: In etwa einem Drittel der Fälle liegt es an der Frau, in einem Drittel am Mann und im restlichen Drittel an beiden Partnern. Trotzdem lastet der gesellschaftliche Druck überwiegend auf Frauen.
Haben Männer nicht auch eine "biologische Uhr"?
Ja, ab etwa 40 Jahren nimmt auch die männliche Fruchtbarkeit ab. Zudem ist die Spermienanzahl in den letzten 50 Jahren um 50 % gesunken. Allerdings haben Männer den Vorteil, dass ihr Körper neues Sperma produziert, wodurch die Qualität noch mal mehr durch einen gesunden Lebensstil positiv beeinflusst werden kann.
Was kostet es, wenn Männer ihr Sperma einfrieren lassen?
Die einmaligen Kosten liegen bei etwa 500 €, die jährlichen Lagerkosten bei rund 350 €.
Warum ist der preisliche Unterschied so groß?
Die Entnahme von Spermien ist deutlich unkomplizierter als die von Eizellen. Zudem benötigen Frauen kostspielige Hormonpräparate, die allein schon rund 1.000 € ausmachen.
In Ländern wie Frankreich und Japan übernimmt der Staat mittlerweile die Kosten für Egg Freezing – und die langen Wartelisten zeigen, wie hoch das Interesse ist. Diese Länder sind gute Beispiele dafür, wie staatliche Unterstützung bessere Rahmenbedingungen für Frauen schaffen kann, um ihre Familienplanung selbstbestimmt zu gestalten.
In Deutschland dürfen Männer Sperma spenden, aber Frauen keine Eizellen. Wie passt das zusammen?
Gar nicht! Das deutsche Embryonenschutzgesetz ist über 35 Jahre alt und spiegelt weder den heutigen medizinischen Fortschritt noch die gesellschaftliche Realität wider.
Es ist absurd, dass Frauen ihre eingefrorenen Eizellen vernichten müssen, anstatt sie spenden zu dürfen, obwohl sie anderen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch helfen könnten.
Gibt es Bestrebungen, die Gesetzgebung zur Eizellenspende in Deutschland zu ändern?
Ja, eine Expertenkommission der Bundesregierung hat 2024 empfohlen, die Eizellspende unter bestimmten Voraussetzungen zu legalisieren. Ob diese Empfehlungen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt jedoch offen, da es innerhalb der Politik unterschiedliche Positionen gibt.
