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Anne Hathway im Interview: "Mir ist endlich egal, was andere von mir denken"

Was sie auch sagte, was sie auch tat: "Hathahaters" hackten viele Jahre lang im Internet so brutal auf Anne Hathaway herum, dass ihr heutiges Strahlen fast an ein Wunder grenzt. Wie hat sie diese verstörenden Erfahrungen überwunden? Die Schauspielerin blickt zurück.

Text: Kalle Schäfer

Anne Hathaway© Getty Images
Aktuell ist Anne Hathaway in der romantischen Komödie "Als du mich sahst" zu sehen. Dort spielt sie eine 40-Jährige, die sich in den deutlich jüngeren Star einer Boyband verliebt. (Prime Video)

Wenn Hollywood-Glamour so etwas wie eine Wolldecke ist, in die sich Stars kuscheln, um ihr Ego zu wärmen, dann muss Anne Hathaway (41) unglücklicherweise ein Montagsmodell erwischt haben, und zwar ein verflucht kratziges. Sie war noch keine 20, als sie die Titelrolle in der Komödie "Plötzlich Prinzessin!" spielte. Doch der plötzliche Weltruhm fühlte sich viele, viele Jahre lang richtig ungemütlich für sie an. Was immer sie auch tat oder sagte – auf Social Media hagelte es Hasskommentare.

Einen Eindruck, wie schlimm das für sie gewesen sein muss, erhält man in Annes aktuellem Film "Als du mich sahst", zu sehen bei Prime Video. Da verliebt sie sich als geschiedene Mutter einer Teenagerin in den blutjungen, extrem heißen Sänger einer Boyband (stelle dir Harry Styles zu One-Direction-Zeiten vor). Nicht genug damit, dass sich die von ihr gespielte 40-jährige Solène sowieso schon fragt, ob eine Beziehung zu Hayes (Nicholas Galitzine) aufgrund des großen Altersunterschieds dauerhaft funktionieren kann, zieht sie sich Hass und Häme von den Fans ihres jungen Freunds zu. Die nutzen zu Tausenden die Anonymität von Social Media, um Solène herunterzumachen. Was nicht ohne Auswirkungen auf ihre Liebe zu Hayes bleibt ...

Im wahren Leben nahm die Online-Hetze gegen Anne solche Ausmaße an, dass der Ausdruck Hathahaters zum geläufigen Begriff wurde. Denn Hathaway wurde nicht nur gemocht (was ja legitim wäre), sondern regelrecht gehasst. Man könnte auch sagen: gemobbt. Von Leuten, die sie gar nicht näher kannten. Aber warum eigentlich? Das fragen sich heute hoffentlich viele von denen, die Anne damals auf Social Media unter dem Hashtag #hathahaters die Hölle heiß machten. Denn Ms. Hathaway hatte ja nichts verbrochen – außer sie selbst zu sein: eine hübsche, freundliche junge Frau ohne sichtliche Ecken und Kanten, die schon früh große Erfolge feierte ("Der Teufel trägt Prada", "Brokeback Mountain") und nicht so aussah, als würde sie dafür ihre Seele verkaufen. Sondern eher, als könnte sie keiner Fliege was zuleide tun. Durch und durch harmlos. 

Aber genau das genügte schon, um einen Teil des Publikums zur Weißglut zu treiben. Ihr angeblich grässliches Kleid, ihre angeblich gelben Zähne, ihre angeblich unterwürfige Dankesrede bei den Oscars – Anne wurde für alles an den Pranger gestellt. Und zwar schneller, als man Twitter buchstabieren kann. Das Phänomen beschäftigte am Ende sogar die seriöse "New York Times", deren Journalisten in einem ellenlagen Artikel der Frage "Warum hacken alle auf Anne Hathaway herum?" auf den Grund ging. Jedenfalls waren sie netter als die Kollegen vom "San Francisco Chronicle", die die Oscar-Preisträgerin 2013 zur "nervigsten Person des Jahres" ernannten. Oder Howard Stern, der skandalumwitterte Radiomoderator, der in seiner Live-Sendung als Erklärungsversuch lästerte, Hathaway komme halt "affektiert und künstlich" rüber. Sterns Gast James Franco, der zusammen mit Anne 2011 die Oscars moderiert hatte, gab mit einem "Ja, das wird's wohl sein, was diesen Hass auslöst" seinen Senf dazu. Ach James, hättest du nicht einfach den Mund halten können, so rein aus Kollegialität? Aber Schwamm drüber, selbst Geschlechtsgenossinnen teilten ja kräftig aus, etwa Ann Friedman im Magazin "New York". "Wir mögen eben keine erfolgreichen, 'perfekten Frauen'", schrieb sie und entschuldigte damit ebenso lapidar wie infam das Hathaway-Bashing. Soviel zum Thema weibliche Solidarität.

Puh, all das nur zu lesen, zieht einen ja schon ganz schön runter. Wie muss es da erst der Betroffenen selbst ergangen sein? Aber wir können zum Glück Entwarnung geben. Anne Hathaway geht es gut. Richtig gut, sogar. Genauer gesagt: wieder richtig gut. Denn die zweifache Mutter hat gelitten. Jahrelang. Und das nicht zu knapp. Aber erst seit ein paar Monaten spricht sie mit entwaffnender Offenheit darüber, was diese Negativ-Kampagne an Kollateralschäden anrichtete: Sie habe nicht nur ihr Selbstvertrauen verloren, sagt sie, sondern auch die Lust am Berug. Sie habe sich eine halbe Ewigkeit verkrochen, wollte nichts mehr hören und sehen. Außerdem habe sie durch die Hathahaters Jobs in Hollywood verloren: Produzenten hätten kalte Füße bekommen, eine Frau zu besetzen, die ja anscheinend keine Fans hatte, nach dem Motto: Wer geht denn schon ins Kino, um DIE zu sehen? Und wie sie: "Oppenheimer Regisseur Christopher Nolan ("ein Engel") auf ewig dankbar sein werde, weil er sie in seinem Batman-Film "The Dark Knight Rises" als Catwoman besetzte, gegen alle Widerstände der Studiobosse, die Anne Hathaway für unsexy und absolutes Kassengift hielten. Ein Film, der nachhaltig ihre Renaissance einläuten sollte. 

"Erstmals fühle ich mich mit meinen Gefühlen verbunden"

Anne Hathaway

Wie viel Kraft es sie gekostet hat, sich den Ängsten und Zweifeln zu stellen, die der ganze Aufruhr auslöste, sich davon freizumachen und den Schritt zurück ins Leben erneut zu wagen, lässt sich nur vermuten. Heute sagt Anne Hathaway dazu: "Ohne meinen Mann und meine beiden Kinder hätte ich das mit Sicherheit nicht geschafft." Seit 2012 ist sie mit dem Schauspieler und Produzenten Adam Shul- man (43) verheiratet. Zusammen haben sie die Söhne Jack (4) und Jonathan (8). In einem Interview mit dem US-Magazin "Vanity Fair" führte sie das kürzlich weiter aus: "Es ist das erste Mal, dass ich mich wirklich kenne. Ich definiere mich nicht mehr durch das, was andere von mir denken. Ich weiß endlich, wie ich funktioniere, fühle mich erstmals mit meinen Gefühlen verbunden. Und ich lache heute viel leichter als früher." Solch ein Geständnis von einer Frau, die die Hälfte ihres Lebens in der Öffentlichkeit steht, macht traurig. Aber gleichzeitig freut es einen auch zutiefst. Denn diese Befreiung, die Anne Hathaway erst seit ein, zwei Jahren wirklich fühlt, schlägt sich nicht nur in ihrem Innenleben nieder. Sie manifestiert sich auch äußerlich. 

Hathaway sieht jünger und besser aus denn je. Wie sie derzeit auf dem Red Carpet glänzt, bringt ihr sogar die Bewunderung der Gen Z ein (nicht, dass Anne nach ihren bösen Erfahrungen noch großen Wert auf das gäbe, was Social Media denkt!). Für Fashion-Legende Donatella Versace, die Anne Hathaway zum Gesicht ihrer aktuellen "Icons"- Kampagne machte, steht jedenfalls fest, dass sich die Schauspielerin zu einer "gefährlichen, aber sexy Frau" gewandelt hat, meilenweit entfernt vom braven Image, das ihr lange anhaftete. Als Teenager spielte sie tatsächlich eine Weile mit dem Gedanken, Nonne zu werden. „Aber ich habe begriffen, dass manan Gott glauben kann, ohne gleich ins Kloster zu gehen“, sagt sie heute und lacht. "Und außerdem, was ist das für eine Kirche, die Menschen wie meinen schwulen Bruder ablehnt?"

Anne Hathaways neu gewonnene Zuversicht drückt sich auch in der mutigen Rollenwahl der letzten Zeit aus. In "Mother Mary" spielt sie eine labile Popsängerin, die sich in eine Modedesignerin verliebt (die heftigen Sexszenen, sagt Anne, habe sie nur dank einer Intimitätskoordinatorin am Set bewältigen können). Im Sixties-Thriller "Mother's Instincts" entbrennt zwischen ihr und einer anderen Mutter, gespielt von Jessica Chastain, eine mörderische Rivalität. Und in der True-Crime-Serie "WeCrashed" (Apple TV+) spielt sie neben Jared Leto eine narzisstische Start-up-Unternehmerin, die über Leichen geht. Figuren ohne wirklichen Sympathiefaktor, aber mit vielen Grautönen, an die sie sich früher nicht herangetraut hätte. "Gedemütigt zu werden ist hart", sagt sie, "und natürlich sollte man sich nicht davon unterkriegen lassen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Und zu denken, dass es nicht mehr wehtut, wenn man weniger Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist auch keine Lösung." Wenn einem solche Gedanken kämen, sei man im Schauspielerjob wahrscheinlich sogar fehl am Platz.

In ihrem Beruf müsse man "ein Seiltänzer sein, ein Draufgänger." Schließlich würde man von den Zuschauern verlangen, dass sie ihre Zeit, ihr Geld und ihre Aufmerksamkeit in einen investieren. "Du musst den Leuten im Gegenzug also etwas bieten, das all das wert ist", fügt sie hinzu. "Aber wenn es dich nichts kostet, was bietest du dann eigentlich an?" Sieht so aus, als wäre Anne Hathaway nach all den Negativerfahrungen emotional gefestigt und reifer geworden, mit Zielen und Visionen, die in ihrem Leben wieder Platz haben. Glückwunsch, Ms. Hathaway, wir sind gespannt, was noch alles kommt ...