Ich arbeite als Moderedakteurin, doch weiß auch: Die Modewelt genießt ihren oberflächlichen Ruf nicht umsonst. Große Trends kommen und gehen so schnell, dass oft keine Zeit für die Verbraucherinnen bleibt, ihre Konsumentscheidungen zu hinterfragen. Das jüngste Beispiel: Diesen Winter kehrt die Felloptik auf unser Trendradar zurück. Aber was wandert eigentlich in meine Shoppingtüte, wenn ich synthetischen Pelz kaufe und gilt Fake Fur zu Recht als gute Alternative zu Echtfell?
Zumindest über einen Punkt sind sich die meisten Menschen einig. Geht es um Echtpelz, ist die Reaktion stets eine klare Abneigung. Wird Echtfell doch aus echtem Tierfell hergestellt, während Kunstfell bloß aus synthetischen Materialien wie Polyester besteht. Die allgemeine Tierliebhaberin greift bei dieser Auswahl dann natürlich zum Fake Fur. Dass Kunstpelz allerdings eine Non plus ultra-Lösung darstellt, sehe ich kritisch. Wieso ich persönlich dem Fake Fur schweren Herzens entsagt habe, liest du hier.
Aus diesem Grund trage ich keinen Kunstpelz
Als überzeugte und langjährige Veganerin scheint meine Haltung auf der Hand zu liegen: Produkte tierischen Ursprungs, sowohl Lebensmittel als auch Kleidungsstücke, konsumiere ich nicht. Doch – wie bei den meisten Themen im Leben – ist auch dieses zu komplex, als dass man es aus einer Schwarz-Weiß-Sicht heraus betrachten könnte. Denn der ein oder andere Lederstiefel befindet sich dann doch noch in meinem Schuhschrank. Die Entscheidung, Teile aus Leder oder Fell weiterzutragen, die man bereits besitzt, scheint mir nachvollziehbarer, als sie zu entsorgen und neue Produkte zu kaufen. Doch genau hierbei scheiden sich die Modegeister: Kann ich Kunstpelz neu kaufen, ohne Tier und Umwelt zu schaden?
Modisches Statement oder problematische Außenwirkung?
Die Antwort darauf lässt sich in zwei Dimensionen aufteilen. Als Erstes nehme ich den modischen Aspekt von Kunstfell unter die Lupe, denn jeder Streetstyle-Look und jedes Instagram-Foto geht mit einer Öffentlichkeit einher. Ob der Look von Fake Fur gefällt, ist natürlich Geschmackssache. Doch auf der Straße oder in den sozialen Medien können Betrachterinnen optisch keinen Unterschiedzwischen Echtfell und Kunstfell erkennen. Mode ist mächtig und somit auch der Einfluss, den ein solches Outfit auf die Außenwelt haben kann. Animiere ich durch das Tragen von Fake Fur meine Umgebung, Fell (und somit auch Echtfell) ästhetisch zu finden? Zu einem gewissen Grad schon, finde ich.
Nachhaltige Alternative oder Tierleid-Lüge?
Die zweite Dimension beschäftigt sich aber mit einem viel wichtigeren Trugschluss: Fake Fur als vermeintlich nachhaltige Alternative. Die Textilindustrie ist eine gigantische Belastung für die Umwelt, besonders der Fast Fashion-Markt nimmt immensen Einfluss auf den Klimawandel. Kunstfell besteht meist aus synthetischen Fasern wie Acryl, Modeacryl und Polyester, die nicht biologisch abbaubar sind. Kunstpelz ist somit nichts anderes als Plastik und wird auf der Basis von fossilen Brennstoffen hergestellt.
Hinzu kommt, dass auch der Gedanke des Tierschutzes beim Kauf von Fake Fur zwar sehr nachvollziehbar ist, es dabei aber leider oft beim Gedanken bleibt. Weltweit werden pro Jahr Schätzungen zufolge 110 Millionen Nerze, Füchse, Marder und viele weitere Tiere auf Pelzfarmen auf grausamste Weise getötet. Ein No-Go für wohl jede Modeliebhaberin – doch auch mit dem Kauf von Kunstfell unterstützen wir teilweise unbewusst die Tierquälerei.
Wenn in einem Kleidungsstück Fell verarbeitet wird, muss laut EU-Verordnung der Hinweis "Enthält nichttextile Teile tierischen Ursprungs" auf dem Etikett sichtbar sein. Doch im Handel, das hatte vor wenigen Jahren ein Markt-Check des Deutschen Tierschutzbundes und der Stiftung Vier Pfoten gezeigt, wird echter Pelz oft ohne jene Kennzeichnung verkauft. Es kann also passieren, dass ich einen vermeintlich pelzfreien Mantel kaufe, der in Wahrheit nur nicht als Pelz deklariert ist. Der Grund? Echtfell ist in der Produktion häufig günstiger als Kunstfell.
Echtpelz vs. Kunstpelz: Daran erkennst du den Unterschied
Wenn du ein Kleidungsstück aus Pelz zu Hause hast, das du auf seine Echtheit überprüfen möchtest, kannst du dich an drei zentralen Unterschieden orientieren. Mithilfe dieser Tipps erkennst du, ob es sich um Echtfell oder Kunstfell handelt:
- Scheitel-Test: Wenn eine gewebte Textilschicht statt Haut zu sehen ist, handelt es sich um synthetischen Pelz.
- Pusten: Bei Echtpelz legt sich das dicke Deckhaar zur Seite.
- Anzünden: Tierhaare verbrennen genauso wie menschliches Haar – es entsteht ein Horngeruch.
Fazit: Secondhand als mögliche Lösung
Was also tun, wenn meine winterlichen Outfit-Visionen einfach nicht ohne das ein oder andere Pelz-Teil auskommen? Ich würde in diesem Fall höchstens auf Kunstpelz aus zweiter Hand setzen. Ohnehin besteht mein Schrank zum Großteil aus Kleidungsstücken, die zuvor bereits von anderen Personen getragen wurden. Das Konzept von Secondhand-Stores, Flohmärkten und Online-Plattformen wie Vinted kommt sowohl der Umwelt als auch der Entwicklung meines persönlichen Modestils zugute. So trage ich nämlich nicht nur Pieces von der Stange!
Der Gedanke, Secondhand-Kunstpelz zu tragen, der in Wahrheit auch Haut und Haar von einem echten Tier enthält, löst natürlich nach wie vor Unbehagen aus. Muss es dieses Jahr aber unbedingt ein Fellmantel oder eine Fellkapuze sein, die mich wärmt, dann würde ich mir dieses Teil in keinem Fall neu kaufen. Eine perfekte Lösung? Sicher nicht, aber solange in Industrie und Politik kein ganzheitliches Umdenken über die Textilproduktion stattfindet, können sich Pelz-liebende Fashionistas so zumindest sicher sein, dass sie den nachhaltigsten aller Wege gewählt haben.