
Kleider machen bekanntlich Leute ‒ das weiß ich als Moderedakteurin nur zu gut. Dieses alte Sprichwort erweist sich auch im Jahre 2024 als richtig, denn ich merke immer wieder, wie unterschiedlich die Wahrnehmung meiner Person in verschiedenen Outfits ausfällt. Zwar ist es nichts Neues, dass man in einer gemütlichen Leggings, Pufferjacke und kuscheligen Boots einen anderen Eindruck vermittelt, als in einem edlen Office Outfit. Dennoch bin ich beim Verlassen des Hauses jedes Mal aufs Neue verblüfft, welche Aufmerksamkeit meine hohen Schuhe auf sich ziehen. Welche Erfahrungen ich auf High Heels bereits gemacht habe, möchte hier mit dir teilen.
Erfahrungsbericht: Warum hohe Schuhe keine Legitimation für anzügliche Blicke sind
Jede Frau, die schon einmal High Heels in der Öffentlichkeit sowohl am Tag als auch am Abend getragen hat, weiß genau: Man kann sich auf Blicke ‒ vor allem von männlichen Personen (sorry Boys) ‒ gefasst machen. Und dieses von oben bis unten Scannen kann ziemlich unangenehm sein.
Beispiele aus meinem Alltag
Es ist 7 Uhr morgens. Ich warte an der Ampel und bin auf dem Weg ins Büro. Mein Outfit setzt sich aus einem langen Mantel, einer klassischen Jeans, einem Rollkragenpullover und hohen Stiefeletten zusammen - für mich ein klassischer Office-Look, der weder freizügig noch besonders sexy ist. Und dennoch passiert Folgendes: An mir fährt ein Auto mit drei Männern vorbei, die allesamt ihre Köpfe aus dem Fenster recken, laut pfeifen und hupen. Ich schaue demonstrativ weg. Kurz nachdem ich die Straße überquert habe, folgt schon die nächste unangenehme Situation: Mir kommt ein Mann entgegen, der mich ungeniert und ziemlich eindringlich von oben bis unten mustert. Ich bemerke, wie sein Blick kurz bei meinem Gesicht stehen bleibt und anschließend nach unten zu meinen Füßen wandert - und mich dann anlächelt. Nicht falsch verstehen: Gegen ein nettes Lächeln ist überhaupt nichts einzuwenden, allerdings kann eine solche unverhohlene Musterung meines Erscheinungsbildes dann doch ziemlich komisch sein.
Diese Szenarien sind das Sinnbild von so vielen ähnlichen Situationen, die mir als Frau tagtäglich passieren. Und besonders häufig geschieht mir so etwas, wenn ich hohe Schuhe trage. Für einige Männer scheinen Absätze ein Freifahrtsschein für miese und plumpe Anmachen zu sein, die absolut fehlplatziert sind.
Ich trage, was ich will!
Und so geht es nicht nur mir, sondern auch viele meiner Freundinnen berichten von solch unangenehmen Situationen. Kein Wunder, dass dies bei einigen zu Verunsicherung führt. Letztens wurde ich abends von einer jungen Frau im Restaurant auf meine High Heels angesprochen. Sie machte mir zunächst ein Kompliment für mein Outfit und sagte dann: "Ich finde es richtig cool, dass du dich traust, solche Schuhe auszuführen!" Und damit trifft sie ins Schwarze. Anscheinend sorgen das unverhohlene Anstarren und anzügliche Kommentare seitens der Männerwelt selbst im Jahr 2024 dafür, dass einige Frauen sich in die Ecke gedrängt fühlen und bewusst auf einige Kleidungsstücke verzichten.
Ich möchte niemanden bekehren, hohe Schuhe zu tragen. Im Gegenteil: Jeder sollte das anziehen, worin er oder sie sich wohlfühlt. Dennoch finde ich es alarmierend, dass es anscheinend Mut bedarf, hohe Schuhe im Alltag zu tragen. Und einige verzichten anscheinend lieber ganz darauf ‒ nur damit sie als Frau vor unangenehmen Anmachen geschützt sind.
Mode ist Macht! Darum setze ich weiterhin auf hohe Schuhe
Von deplatzierten Blicken lasse ich mich jedoch nicht einschüchtern. Hohen Schuhen eilt zwar in den Köpfen vieler häufig ein sexy Image voraus, dabei sind sie so viel mehr: Sie sorgen ‒ zumindest bei mir ‒ für einen stolzen Gang. Ich merke immer wieder, wie sich nicht nur meine äußere Haltung, sondern auch meine innere Haltung verändert. Ich trete mit hohen Schuhen selbstbewusster auf. Und genau das sollte Mode doch schaffen: sich in der eignen Haut gut zu fühlen! Gerade als Fashion-Redakteurin bin ich mir der Power von Kleidung bewusst und setze diese Macht weiterhin selbstbewusst ein.