Sie arbeitet als Model, Art-Direktorin, Influencerin, hat einen Podcast zum Thema Selbstliebe ("Fette Gedanken") und steht aus Überzeugung für mehr Körpervielfalt. Einen Großteil ihres Lebens hat sie sich mit Trend-Diäten herumgeschlagen. Bis sie aufgehört hat, ihren Body als das Problem anzusehen, sondern die Schönheitsideale unserer Gesellschaft. Wir haben Charlotte Kuhrt zum Interview getroffen.
Interview: Charlotte Kuhrt über Fettfeindlichkeit und Fashion
Die meisten von uns haben nur einen Job – du hältst gleich mehrere Bälle in der Luft.
"Das stimmt! Aber in letzter Zeit genieße ich es, wieder mehr hinter als vor der Kamera zu stehen. Als Art-Direktorin habe ich die Möglichkeit, spannende und kreative Projekte zu betreuen und gleichzeitig Kunden in Sachen Körperdiversität zu beraten. Das macht mich glücklich!"
Hast du das Gefühl, dass es noch viel Beratung braucht?
"Leider ja. Fettfeindlichkeit lauert überall! Dabei sollten alle Körperformen gefeiert werden. Aktuell werden alte Körperbilder – wie der 'Heroin Chic' aus den Neunzigern – wieder präsenter, und das ist wirklich gefährlich."
Bei so viel Engagement erfährst du bestimmt auch viel Bodyshaming. Wie reagierst du darauf?
"Das kommt ganz auf die Kommentare an. Vieles ignoriere ich. Es gibt aber auch Dinge, die ich bewusst mit meinen Followern teile, damit andere mehrgewichtige Menschen sehen, dass man nicht alles hinnehmen muss."
Man muss sich also starkmachen, auch wenn es einen selbst nicht betrifft.
"Ganz genau! Und mehr Bewusstsein entwickeln. Schon ganz unbedachte Sätze wie 'Ich fühle mich fett' können andere treffen."
Der Weg zur Selbstakzeptanz war sicher nicht immer leicht.
"Nein, und das ist auch bis heute so. Viele verbinden immer noch Negatives mit einem dicken Körper. Deswegen darf es Tage geben, an denen man an sich zweifelt. In der Vergangenheit habe ich lange mit meinem dicken Körper gerungen, heute sind diese Tage seltener, und ich kann besser damit umgehen."
Was hilft dir in Momenten, in denen es dir nicht gut geht?
"Nachsichtig mit sich zu sein! Es war sehr heilsam, mir ein Umfeld zu schaffen, das Körper nicht bewertet."
Wie schaffst du es, als mehrgewichtige Frau in der oft oberflächlichen Modebranche nicht den
Mut zu verlieren?
"Mein Gamechanger ist, genügend Zeit offline zu verbringen! Ich nehme mir bewusst Zeit für Dinge, die mich neben meinem Job ausmachen. Ich bin gerne kreativ und kann dadurch gut abschalten."
Mode hat für dich schon immer eine Rolle gespielt …
"Sie ist mein Mittel, mich auszudrücken, meinen Körper zu akzeptieren und mich stark zu fühlen. Ich liebe es, alte Stereotype infrage zu stellen und zu tragen, worauf ich Lust habe. Mode soll Spaß machen!"
Mit der Mode-Brand Samoon warst du kürzlich auf einem Event. Das sah auch nach Spaß aus.
"Oh ja! Neben Achtsamkeitsübungen haben wir gemalt, gelacht und gequatscht. In einer kleinen intimen Runde, nur wir unter uns – dafür schätze ich Samoon. Sie stehen für ein positives Lebensgefühl und sind ehrlich an meiner Meinung zu ihren Kollektionen interessiert. Die Idee ist, Mode zu machen, die eine dicke Frau wirklich tragen will, und nicht, was andere denken, was sie tragen soll."
Gibt es denn so ein Kleidungsstück in deinem Schrank?
"Auf jeden Fall! Ich habe einen rosa Jeans-Overall – wenn ich den anziehe, fühle ich mich sofort gut!"
Wenn du dir etwas von der Modeindustrie wünschen könntest, was wäre das?
"Mehrgewichtigen Menschen Raum geben! Denn wenn wir Diversität nicht nur zu einem PR-Gag machen wollen, dann müssen dicke Menschen in mehr wichtigen Positionen mit entscheiden."
Quelle: Text ursprünglich im Jolie-Heft 1/24 erschienen