Interior-Profis und Kunst-Liebhaber wissen: Kein Wohnraum ist perfekt, ehe nicht wenigstens ein Bild an der Wand hängt. Kunst ist das i-Tüpfelchen, die Kirsche auf der Torte, wenn es um die Einrichtung der eigenen vier Wände geht. Kunst kann Emotionen auslösen, zum Nachdenken anregen, beruhigend wirken oder einfach nur schön anzusehen sein. Dabei kann es jedoch gar nicht so einfach sein, die richtigen Bilder zu finden, die die weißen Wände schmücken sollen. Wir haben eine wahre Kunst-Expertin nach ihren besten Tipps gefragt und verraten dir hier, worauf du achten solltest, wenn du deine Bilderwand zu Hause gestalten willst.
Galeristin verrät: So setzt du Kunst zu Hause richtig in Szene
Wir haben Lucy zum Interview getroffen. Sie ist Galeristin der NUO GALLERY in München, in der up-and-coming Künstler und Künstlerinnen aus ganz Europa ausgestellt werden. Der Fokus ihrer Galerie liegt auf Kunst im Affordable Art Segment und passend zur Kunst werden auch Einrichtungsgegenstände und Dekoartikel aufstrebender Design-Brands angeboten. Lucy hat uns exklusiv verraten, worauf wir achten sollten, wenn wir auf der Suche nach der richtigen Kunst für unser Zuhause sind und gibt uns Tipps, wie sich diese optimal in Szene setzen lässt.
Liebe Lucy, Kunst ist so vielfältig. Da ist es schwer, sich für einen Stil zu entscheiden. Wie finde ich den richtigen Stil für meine Wohnung?
"Ich glaube, es gibt in der Kunst kein 'richtig' – und das ist auch gut so. Meiner Meinung nach ist Kunst etwas sehr Individuelles. Ich habe Kund:innen, die mögen es bunt und extravagant, andere bevorzugen einen eher minimalistischen Stil, der sich zurückhaltend ins Interior einfügt. Zudem sehe ich, dass sich die bevorzugten Stilrichtungen im Laufe der Zeit verändern. Man geht in eine neue Stadt, zieht mit seinem/seiner Partner:in zusammen, bekommt Kinder. So wie sich das Leben verändert, entwickelt sich auch der persönliche Kunstgeschmack weiter.
Es hilft, die Augen offenzuhalten: Geht in Galerien, spaziert durch Museen und besucht Kunstmessen (wie z.B. die Affordable Art Fair). Lasst euch von Kunstplattformen, Onlinegalerien oder Instagram inspirieren. Und dann geht es allein um das 'Gefühl'. Wenn euch ein Kunstwerk oder eine Stilrichtung anspricht - go for it! Kunst soll euch im Hier und Jetzt glücklich machen - nicht mehr und nicht weniger."
Welche Stilrichtung ist gerade total angesagt? Und sollte ich mich überhaupt an Trends orientieren?
"Aktuell sind vor allem drei Stilrichtungen im Trend. Auf den nationalen und internationalen Kunstmessen sieht man viel abstrakte Kunst. Eine Stilrichtung, die es den Künstler:innen erlaubt, sich frei zu entfalten und experimentierfreudig zu sein, denn es gibt keine festen Regeln und Vorgaben. Oftmals werden abstrakte Formen oder z.B. kräftige Farben verwendet, um ein Gefühl oder eine Stimmung auszudrücken.
Darüber hinaus ist der Minimalismus sehr beliebt. Diese Stilrichtung zeichnet sich durch eine eher reduzierte Formensprache und die Betonung von Einfachheit und Klarheit aus. Die Künstler:innen verwenden in ihren Werken neutrale Farben und klare Linien, um eine minimalistische Ästhetik zu kreieren.
Ein spannendes Comeback hat aktuell die Fotografie. Vor allem Fotograf:innen, die ursprünglich aus dem Fashion- und Editorial-Bereich stammen, wie z.B. Tyler Mitchell und John Edmonds, sind derzeit angesagt.
Ob man sich beim Kunstkauf von den Trends in der Branche leiten lässt, ist eine persönliche Entscheidung. Natürlich kann es finanziell attraktiv sein, Kunst zu kaufen, die gerade einen Hype erfährt, um dadurch eine potenzielle Wertsteigerung mitzunehmen. Kunst kann jedoch auch etwas ganz Persönliches und Emotionales sein und dadurch ihre subjektive Bewertung erfahren. In meinen Augen solltet ihr lieber eurer Intuition als den neuesten Trends folgen."
Gibt es denn Künstler:innen, die gerade trenden in der Szene?
"Es gibt viele talentierte Künstler:innen, die derzeit Aufmerksamkeit erregen. Sei es, weil sie in den renommiertesten Galerien oder Museen der Welt ausstellen, Verkaufsrekorde brechen oder weil sie von Kunstkritiker:innen und Sammler:innen gefeiert werden. Seit Social Media dreht sich das Karussell noch schneller und erlaubt uns, immer neue Werke und Künstler:innen aus der ganzen Welt zu entdecken.
Derzeit besonders spannend finde ich beispielsweise den türkischen Künstler Refik Anadol, der mithilfe von KI beeindruckende audiovisuelle Großinstallationen kreiert, die mich jedes Mal aufs Neue faszinieren. Dann beeindruckt mich die Kunst der Neuseeländerin Emma McIntyre, die in ihren Arbeiten mit unkonventionellen Materialien und Substanzen experimentiert und deren Farbspiel ich liebe.
Einen spannenden Werdegang hat auch der von uns ausgestellte Künstler Paul Schrader, der vor einigen Jahren seine Anwaltskarriere aufgab, um sich voll und ganz der Kunst zu widmen. Seither feiert er große Erfolge mit seinen einzigartigen, farbenfrohen Großformaten, die eine unglaubliche Kraft und Energie versprühen."
Kann ich Stile auch miteinander mischen oder sollte ich mich auf eine Stilrichtung festlegen?
"Definitiv! Ich liebe es, verschiedene Stilrichtungen und Medien miteinander zu kombinieren. In meiner Galerie in München (NUO GALLERY) und im dazugehörigen Online-Shop, präsentieren wir ganz bewusst verschiedene up-and-coming Artists, die sich durch ihre ganz eigenen Stile, Techniken und Einsätze von Materialien auszeichnen. Ruhige, minimalistische Werke, wie zum Beispiel von unserer britischen Künstlerin Tabitha Millett, passen perfekt zu den farbenfrohen, abstrakten Eye-Catchern des Berliner Künstlers Peter-Maximilian Ronsdorf.
Und auch im eigenen Zuhause kann man verschiedene Stilrichtungen verbinden. Bei mir privat habe ich helle Farben und minimalistische Malerei für den Wohnbereich gewählt, was eine Form der Ruhe und Gemütlichkeit ausstrahlt. Farbkräftige Fotografien und abstrakte Skulpturen finden ihren Platz im Arbeitszimmer, damit man morgens extra motiviert in den Tag startet!"
Was macht für dich ein gutes Kunstwerk aus?
"In meinen Augen zeichnet sich ein gutes Kunstwerk durch vier wesentliche Aspekte aus:
- Emotionalität: Ich finde es schön, wenn ein Kunstwerk seine Betrachter:innen emotional berührt, inspiriert und Gedanken und Gefühle in ihnen hervorruft.
- Einzigartigkeit: Ein gutes Kunstwerk zeichnet sich durch Originalität aus. Es sollte eine möglichst individuelle Perspektive der Künstler:innen präsentieren oder z.B. eine neue Idee oder innovative Herangehensweise.
- Technik & Materialeinsatz: Ein gutes Kunstwerk zeigt oft eine hohe technische Fertigkeit. Auch wenn z.B. abstrakte Kunst manchmal 'einfach' erscheint oder das typische 'Das könnte ich auch' hervorruft, ist es eben doch nicht so leicht und die Technik spielt eine maßgebliche Rolle. Die Auswahl hochwertiger Materialien ist dabei entscheidend – von der Leinwand, über die Farben, bis hin zum Rahmen muss alles stimmig sein.
- Ästhetik: Ein Kunstwerk, welches man sich zu Hause aufhängt, sollte visuell ansprechend sein. Das bedeutet, dass die Kompositionen, Formen, Farben und Texturen für den/die Betrachter:in harmonisch wirken, was natürlich sehr subjektiv ist.
Es gibt noch viele weitere Kriterien, nach denen man ein Kunstwerk bewerten kann. Meist fallen diese Punkte auch sehr individuell aus. Was für eine Person ein gutes Kunstwerk ist, kann für eine andere Person möglicherweise nicht so sein."
Wie kann ich mein Kunstwerk zu Hause optimal in Szene setzen?
"Zunächst ist es wichtig, einen für das Kunstwerk passenden Rahmen zu finden, der dessen Wertigkeit betont und es richtig in Szene setzt. Am besten wählt man einen Rahmen, der das Kunstwerk in seinen Farben, Materialien und im Stil ergänzt oder zum Interieur des Raumes passt.
Bei der Wahl des perfekten Platzes ist es wichtig, die Größe des Werkes zu beachten. Damit ein Kunstwerk richtig wirken kann, gibt es zum Beispiel folgende Daumenregel: Ein Werk sollte nicht größer als 2/3 des Gegenstands sein, worüber es hängt. Ein Beispiel: Ist eine Kommode 90 cm breit, sollte das Kunstwerk nicht breiter als 60 cm sein. Zudem sollte es idealerweise auf Augenhöhe und in Fokuspunkten der Wohnung hängen, wie z.B. über dem Sofa oder dem Esstisch.
Auch solltet ihr darauf achten, dass der Hintergrund des Kunstwerks nicht zu überladen ist. Eine bunte Tapete mit Motiven ist möglicherweise nicht der beste Hintergrund für ein farbenfrohes, figuratives Werk, da die Elemente miteinander konkurrieren. Am besten wirkt Kunst auf einem neutralen Hintergrund oder einer einfarbigen Wand, die das Kunstwerk komplementiert.
Schließlich ist die richtige Beleuchtung des Kunstwerks das A und O. Am besten vermeidet man direktes Sonnenlicht, welches Kunstwerke über Zeit möglicherweise verblassen lässt. Stattdessen eignen sich Spotlights oder Bilderleuchten, um die Aufmerksamkeit auf das Kunstwerk zu lenken und dessen Details hervorzuheben."
Was muss ich bei einer Galeriewand im Wohnzimmer beachten?
"Eine Gallery Wall ist eine schöne Idee der Wandgestaltung im Wohnbereich. Dabei sind die Formate der Kunstwerke für deren Komposition entscheidend. Haben alle Kunstwerke das gleiche Maß, empfiehlt sich eine klassische Reihenhängung. Dabei lässt eine vertikale Anordnung den Raum höher und eine horizontale Gruppierung das Zimmer breiter wirken. Diese Art der Hängung vermittelt eine visuelle Balance und Ruhe, denn man nimmt Reihungen als eine harmonische Einheit wahr. Alle Kunstwerke sollten in Höhe und Abständen gleich angeordnet sein. In mehreren Reihen wirken die Werke in sogenannter Rasterhängung als schönes Ensemble.
Bei unterschiedlich großen Kunstwerken bieten sich verschiedene Arrangements an. Eine Möglichkeit ist die sogenannte 'Kantenhängung'. Hierbei orientieren sich die Kanten sämtlicher Werke an einer imaginären Mittellinie, die Abstände sollten dabei stets identisch sein. Diese Komposition eignet sich vor allem für niedrige Räume.
Eine weitere Form der Anordnung ist die 'Inside the Lines-Hängung'. Hierbei werden die Kunstwerke wie in einem Tetris-Spiel so platziert, dass ihre Außenkanten eine gedachte, geometrische Form ergeben.
Schließlich können die Kunstwerke als 'geordnetes Chaos' arrangiert werden, was man auch als 'Petersburger Hängung' oder sogenannte 'Salonhängung' bezeichnet. Der Name geht auf die üppig behängten Wände der Petersburger Eremitage im 18. Jahrhundert zurück. Meine Empfehlung wäre, das größte Werk als visuellen Fokuspunkt in die Mitte und die kleineren Werke außen herum zu positionieren.
Es gibt noch unzählige weitere Formen der Komposition. Grundsätzlich würde ich dazu raten, dem eigenen Geschmack zu folgen: Eine Hierarchie in der Anordnung ergibt sich automatisch durch persönliche Präferenzen – welches Werk verdient den besten Platz und welche Stücke ordnen sich unter. Auch hier kann selbstverständlich jederzeit umarrangiert werden. Denn ebenso wie eine geänderte Anordnung der Möbel schafft auch die Neuausrichtung von Kunst ein völlig neues Umfeld."