
"Du bist gut vorbereitet", begrüßt mich meine Schwester freudestrahlend an der Wohnungstür und nimmt mir die Flasche Doppio Passo Primitivo ab, die ich für den gemeinsamen Spieleabend mit ihrem Freund dabei habe. "Was gibt's Neues?", fragt sie gespannt und geht schnurstracks in die Küche. "Das glaubst du nicht! Ich habe gerade noch telefoniert und eine Freundin, die wirklich nichts mit Finanzen am Hut hat, hat sich Aktienfonds gekauft. Witzig, oder? Das Leben ist doch aufregend genug, wer braucht so ein Risiko?", berichte ich lachend mit der Erwartung, ihre Zustimmung zu erhalten und schüttele nur den Kopf.
"Na und? Macht doch jeder!", entgegnet mir meine Schwester achselzuckend. Jeder? Was hab ich denn jetzt verpasst? Sie etwa auch? "Klar, ich hab vor ein paar Monaten einen Kassensturz gemacht, überblickt, was übrig bleibt, und das investiere ich monatlich in Aktien und ETFs. Ich will doch an die Zukunft denken", erzählt sie beiläufig und legt mir ein dampfendes Pizzastück Quattro Formaggi auf den Teller. Ich bin erschüttert. Meine Schwester hat den finanziellen Überblick, monatlich etwas übrig und ich frage mich nur: Warum habe ich das bislang nicht so gemacht? Ich schiebe die Gedanken jedoch schnell beiseite und beiße zur Beruhigung erst einmal in meine Vier-Käse-Pizza, denn bei mir sieht es ehrlich gesagt ein wenig anders aus.
In den nächsten Tagen komme ich zu dem Schluss: So kann ich das nicht hinnehmen. Ich will unabhängig sein und wissen, was ich habe und mir leisten kann und was eben nicht. Ganz nach dem Motto "wenn sie das kann, dann kann ich das doch auch" entstand meine Kolumne "Cash is Queen". Denn wir alle sollten uns mit unserem Vermögen auskennen und wir alle schaffen das auch – versprochen.
"Einmal Aufräumen, Struktur reinbringen und checken, wo man steht"
Der Montagmorgen wird für mich direkt zur Bewährungsprobe. Ich bin mit Finanz-Coachin Henriette Dieckhoff verabredet und sie fordert mich konkret zum Kassensturz auf: "Hier geht es darum, was du auf dem Konto hast oder generell um die Dinge, die einen Wert haben und die im Fall der Fälle in Geld umgesetzt werden könnten", erklärt der Profi und begründet:
"Es ist wichtig, eine Auflistung zu machen und herauszufinden, was denn überhaupt auf der Haben-Seite ist. Also einfach einmal Aufräumen, Struktur reinbringen und checken, wo man steht.
Was bei der Expertin ganz einfach klingt, löst bei mir Gefühle aus, die ich zuletzt in der Uni hatte, wenn eine Klausur anstand und die Lernphase eher mickrig ausfiel. Ich muss es also genauer wissen: Wie gehe ich ganz konkret vor? Bitte einfach und simpel erklärt.
Die zwei Bereiche des Kassensturz': Alles gar nicht so schwer
"Ich unterscheide beim Kassensturz in zwei Bereiche", wird Henriette konkreter. "Als Erstes machen wir einen Status quo-Check. Wir listen auf der Haben-Seite auf, was überhaupt schon da ist. Dazu zählt Geld auf deinem Girokonto oder dem Tagesgeld-Konto oder auch verloren geglaubte Sparbücher, Wertpapiere, ein Erbe oder Aktien und bestimmte Fonds. Da schaust du dir einfach einmal an, was sind diese Dinge heute 'Status quo' so wert. Aber du darfst natürlich auch die andere Seite nicht vergessen – nämlich die Soll-Seite." Die fiese Soll-Seite kenne ich zu gut, denn hierzu gehören unter anderem Konsumschulden und auch ein Dispo im roten Bereich.
Allerdings kann ich aufatmen: Nach gründlicher Recherche sieht es bei mir nämlich gar nicht so schlecht aus. Die Haben-Seite überwiegt eindeutig. Henriette Dieckhoff empfiehlt mir, ich solle diesen Check einmal im Jahr machen. Für einen erfolgreichen Kassensturz, der mich nachts ruhigen Gewissens schlafen lässt, sind wir aber noch nicht fertig: "Das Zweite ist der Budget-Check. Hier überprüfst du: Was ist dein monatliches Einkommen? Hast du Mieteinnahmen, ETFs (börsengehandelte Indexfonds) oder Aktien und schütten sie dir monatlich Dividenden aus?". Die Expertin rät, die zweite Auflistung läge am besten stets auf meinem Desktop, um neue Einnahmen oder Ausgaben fix eintragen zu können und stets up to date zu bleiben.
Mit Budgettöpfen den Überblick behalten
Der Kassensturz ist vollbracht, so schnell lässt mich die Coachin aber nicht davonkommen. Wer seine Finanzen im Griff haben will, der müsse auch wissen, wofür er sein Geld ausgibt. Genau deshalb solle ich von nun an in Budgets denken. Eine Teilung in fünf bis sechs Töpfe sei laut der Expertin empfehlenswert.
Wie die Aufteilung funktioniert? Ganz einfach: Der alltägliche Bedarf samt Miete, Kleidung, Kosten für Lebensmittel und Co. mache den größten Bereich von 50 Prozent des Nettolohns aus. Langfristige Rücklagen wie die Altersvorsorge würden mit mindestens 10 Prozent den zweiten Bereich bilden. Außerdem ergebe laut der Coachin ein drittes Budget für kurz- und mittelfristige Investitionen wie eine neue Küche von 10 Prozent Sinn und ein viertes als Spaßbudget für Freizeitaktivitäten wie Ausgehen, Ausflüge oder auch Beauty-Behandlungen – ebenfalls mit 10 Prozent. Wer noch mehr definieren wolle, der sei mit einem fünften Budget von 10 Prozent für Weiterbildung, um das eigene Humankapital zu steigern, sowie einem sechsten Spenden-Budget von 5 bis 10 Prozent, um auch an andere zu denken, bestens aufgestellt.
Ein weiterer Tipp der Finanz-Expertin? "Ich bin ein Fan davon, mehrere Konten zu haben – damit meine ich Tagesgeldkonten. Sie eignen sich super, um für finanzielle Ziele oder Rücklagen Geld anzusparen. Anders als bei einem Girokonto, kannst du hier kein Geld mit einer EC-Karte abheben und dann ausgeben. Was noch für Tagesgeld- und gegen mehrere Girokonten spricht? Hast du viele Girokonten kann sich das negativ auf deinen SCHUFA-Score auswirken.“
Im Alter abgesichert! Wie viel sollte ich dafür sparen?
Wir sind definitiv auf der Zielgraden, aber zuletzt darf ein wichtiger Bereich nicht fehlen, um alles unter Kontrolle zu haben. Die Themen Teilzeit-Falle, Altersarmut und Gender-Pay-Gap schwirren mir – und sicher vielen anderen Frauen – immer wieder durch den Kopf. Ich hake also beim Profi nach: Wie viel Geld sollte ich monatlich beiseitelegen, um vorzusorgen? "Das ist natürlich sehr individuell“, erklärt Henriette Dieckhoff. Auf eine Rücklage fürs Alter behaart sie aber trotzdem:
"Was ganz, ganz wichtig ist, sind auf jeden Fall die Rücklagen für das Alter und da lasse ich auch nicht gerne mit mir reden. Da müssen es mindestens 10 Prozent sein."
Okay, mit diesem Anteil kann ich mich anfreunden.
Mein Fazit: Jetzt will ich mehr!
Was mir während des Pizzaessens noch Bauchschmerzen machte, klingt doch gar nicht so kompliziert. Ganz im Gegenteil sogar: Einmal alles geordnet und eingeteilt, fühle ich mich selbstbewusster im Umgang mit meinen Finanzen und vorbereitet auf das, was ich in der Zukunft angehen will. In mir stellt sich nämlich gerade der Wunsch ein, die Haben-Seite weiter auszubauen. Und auf dem Weg dorthin, der sicher auch mit schwindender Motivation und finanziellen Zweifeln gespickt ist, seid ihr ab sofort in "Cash is Queen" mit dabei.
Freuen könnt ihr euch in der Kolumne schon bald auf weitere Themen wie den Umgang mit Finanzen in der Partnerschaft, das Einsteigen ins Investieren von ETFs und Spar-Plänen sowie geniale Tipps für eure Steuererklärung. Natürlich kämpfen wir uns auch gemeinsam durch die leidige und gleichzeitig extrem wichtige Angelegenheit der Altersarmut und sind somit garantiert für später vorbereitet. Interessante Expert:innen werden diese Inhalte stets begleiten und dafür sorgen, dass wir alle mehr und mehr den Durchblick haben – verlasst euch drauf.

Henriette Dieckhoff ist Finanz- und Lifecoach (mit einem Zertifikat der renommierten Dr. Bock-Akademie) und zeigt Frauen, dass sie keine Vollprofis sein müssen, um eine gesunde, nachhaltige Einstellung zu Geld zu erhalten und sich finanzielle Ziele stecken zu können, die sie auch erreichen.