
"WAS HAST DU DENN DA FÜR EINE HAARLÜCKE AM KOPF?", fragte mich meine Tanzlehrerin, als sie mir gerade die Haare für einen Turnierwettkampf flocht. Ich war damals acht Jahre alt, und dies ist meine erste Erinnerung, die ich mit meiner Krankheit Alopecia areata, auch als kreisrunder Haarausfall bekannt, verbinde. Nach dem Turnier erzählte ich meiner Mama von der sonderbaren Entdeckung meiner Trainerin. Wir suchten dann einige Ärzte auf, die das Ganze aber mit Sätzen wie "Werden wir beobachten" und "So was kann schon mal im Wachstum passieren" abtaten.
Im Video erfährst du noch mehr über die Krankheit Alopecia areata:
Als es nach der Pubertät aber nicht besser, sondern eher schlimmer wurde, begann ein weiterer Ärztemarathon. Tatsächlich fiel hier zum ersten Mal der Begriff Alopezie. Eine wenig erforschte Autoimmunerkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen Bestandteile der Haarwurzeln richtet und die Haare dadurch ausfallen. Es wird angenommen, dass die Krankheit psychische Ursachen haben kann, weshalb ich mehrere Jahre eine Therapie machte. Aber um ehrlich zu sein, brachte sie mir genauso wenig wie Kortisonspritzen, Mesotherapien und Zinktabletten – meine Haare fielen weiter aus.

Etwa im Alter von 26 Jahren war es dann so schlimm, dass ich nur noch mein Deckhaar hatte – es sah aus wie ein Undercut. Ich schämte mich, nur meine engsten Vertrauten wussten Bescheid. Ich habe dann die Entscheidung getroffen, eine Perücke zu tragen. Über eine Freundin erfuhr ich, dass es auch permanente Perücken gibt – die werden beim Friseur ans Eigenhaar geflochten und halten dann erst einmal eine ganze Weile. Das habe ich dann auch gemacht, aber wie es das Schicksal nun mal so will, bekam ich genau eine Woche später Corona und lag tagelang im Bett. Das Fatale? Die Perücke verrutschte und ich musste sie wieder herausnehmen lassen. Bei diesem Prozess verlor ich weitere 50 Prozent meiner Haare, es sah furchtbar aus. Meine Frustration war zu diesem Zeitpunkt so groß, dass ich bei einem Mädelsabend kurzerhand beschloss, mir von meinen Freundinnen die Haare abrasieren zu lassen. Kurz bevor ich mich zum ersten Mal mit Glatze im Spiegel sah, bekam ich dann doch etwas Panik: Steht mir das überhaupt? Fühle ich mich ohne Haare noch wie eine Frau? Und was werden die anderen sagen?
Und so unglaublich es sich auch anhören mag – all diese Zweifel waren verflogen, als ich mich dann zum ersten Mal ohne Haare sah. Ich fand den Look nicht nur unfassbar cool an mir, ich war in diesem Moment auch sehr stolz auf mich! Es fühlte sich an, als hätte ich den Kampf gegen die Krankheit gewonnen. Und auch heute noch liebe ich meine Glatze, aber auch die Freiheit, mich mithilfe von Perücken und Tüchern immer wieder neu zu entdecken. Mir ist klar geworden, dass eine lange Walla-Walla-Mähne nicht zwingend ein Zeichen von Weiblichkeit ist! Ich gehe selbstbewusster denn je durchs Leben und hoffe, mit meiner Geschichte auch anderen Frauen mit einem ähnlichen Schicksal Mut machen zu können. Ob meine Haare jemals wieder normal wachsen werden, weiß keiner. Ausgeschlossen ist es nicht. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass diese Krankheit noch besser erforscht wird und Betroffene mehr unterstützt werden – sowohl seelisch als auch finanziell. Denn viele Krankenkassen übernehmen anfallende Kosten für Medikamente und Perücken leider noch nicht.