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Kilian Kerner im Interview: "Ich liebe die Berlin Fashion Week, aber es muss sich was ändern"

Auf der Berlin Fashion Week 2025 haben wir mit Designer Kilian Kerner über seine neue Kollektion „DDR. Die gestohlenen Kinder“, seine Meinung über Social Media und der Modewoche der Hauptstadt gesprochen.

Kilian Kerner© Getty Images
Kilian Kerner hinterließ sein Publikum bei der Berlin Fashion Week 2025 mit purer Gänsehaut. Wir sprachen mit dem Designer vor Ort.

Die Berlin Fashion Week ist traditionell ein Schmelztiegel für Kreativität, Visionen und – oft genug – provokante Statements. Während die Modewelt gespannt auf die neuesten Trends blickt, gelingt es einigen Designern, über den Laufsteg hinaus eine tiefere Botschaft zu vermitteln. Genau das hat Kilian Kerner mit seiner jüngsten Kollektion getan, die unter dem aufsehenerregenden Titel "DDR. Die gestohlenen Kinder" auf der diesjährigen Fashion Week präsentiert wurde. Eine Kollektion, die nicht nur durch ihre Ästhetik besticht, sondern vor allem durch die mutige Auseinandersetzung mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte eine Debatte anstößt, die weit über die Grenzen der Modewelt hinausreicht. 

Wir haben den Designer vorab backstage zum Interview getroffen und mit ihm über seine neue Kollektion, seine Karriere und seine Meinung zur Fashion Week gesprochen.

GRAZIA: Deine Kollektion heißt „DDR. Die gestohlenen Kinder“. Wie verbindest du das Thema mit Mode?

Kilian Kerner: Die Kollektion ist inspiriert durch das Thema DDR, die gestohlenen Kinder. Was die Mode jetzt angeht, ist es eine reine 80er-Jahre-Kollektion, weil da der Peak war, wo die Kinder weggekommen sind. Große Schultern, opulente Schnitte, es ist wirklich absolut typisch 80er. Die Farben sind auch eher reduziert, viele schwarze Outfits, die Trauer-Looks der Familien oder Angehörigen darstellen sollen. Es ist eine verdammt große Kollektion. Es sind 68 Looks, die einfach die Geschichte dieser Kinder erzählen.

Mit welchem Gefühl sollen die Zuschauer*innen heute nach der Show aus dem Raum gehen?

Ich denke eher, dass es ein nachdenkliches und vielleicht auch ein schweres Gefühl ist, weil es sich nicht um ein einfaches Thema handelt, was ich da behandle. Auch das, was um die Kollektion herum passiert, ist nicht so easy. Ich glaube, wenn ein Mensch sich darauf einlässt, wenn er da sitzt, hat er erst mal auch ein schweres Gefühl.

Du bist schon so lange Teil der Berlin Fashion Week. Wie hast du die Entwicklung über die Jahre wahrgenommen?

Ich habe ja wirklich die Anfänge mitbekommen. Ich habe die Höhepunkte mitbekommen, ich habe die Zeit mitbekommen, wo es ein bisschen nach unten ging. Ich muss sagen, dass die Fashion Week seitdem Mercedes weg ist, meiner Meinung nach nochmal eine Chance hatte. Wir dachten alle im ersten Moment: Um Gottes Willen, was machen wir jetzt?! Aber sie hat sich nochmal neu erfunden und das finde ich toll. Ich würde mir dennoch mehr Hand-in-Hand-Arbeit wünschen und von den Organisatoren erwarten, dass sie verstehen, dass es nicht nur neue tolle Brands gibt, sondern auch Marken, die hier seit über 20 Jahren sind und man sie nicht vergessen sollte. Das passiert leider.

Könnte das Auswirkungen auf dich und deine Arbeit mit der BFW haben?

Mich schüchtert es nicht mehr ein. Ich habe mich mit vielen Dingen, gerade was das Thema Berlin und Mode angeht, abgefunden. Ich hoffe nicht, dass es irgendwann die Konsequenz hat, dass ich sage, ich gehe weg aus Berlin und zeige in New York, weil ich die Berlin Fashion Week über alles liebe. Es muss sich aber was ändern in der Einstellung gegenüber Designern, die nicht nur High Fashion machen, sondern auch den Kommerz lieben, weil sie Geld verdienen wollen.

Inwiefern spielt Social Media eine Rolle für dich als Designer?

Als Designer ist es natürlich wichtig. Es spielt eine große Rolle, weil ich dort mitunter meine Mode zeige. Mir fällt es nur sehr schwer, mich als Mensch dort zu präsentieren. Da muss ich mich immer ein bisschen zwingen. Beruflich ist es auch nicht so ein Problem, aber den privaten Kilian da vorzustellen, da kann ich mich irgendwie nicht dran gewöhnen. Aber ich weiß natürlich, wie wichtig es ist, dort präsent zu sein und zu zeigen, was bei mir abgeht.

Für Designer herrscht immer großer Druck. Wie gehst du damit um?

Ich hatte eine Phase, in der ich sehr viel Druck empfunden habe. Das war gegen Ende letzten Jahres, als es zum Beispiel um den BVG-Pitch ging. Es war ein Terrain, wo ich mich reinbegeben habe, wo ich gar keine Ahnung von hatte. Berufsbekleidung in dieser Masse zu entwerfen, war etwas komplett Neues für mich. Und das war nicht nur das Einzige. Es kam direkt die nächste Anfrage, was Berufsbekleidung angeht und zwar die Collection for Doctors, die ich mit Daniel und Marcel zusammen gemacht habe. Da habe ich sehr viel Druck empfunden, dem gerecht zu werden. 

Wo findest du im heutigen schnelllebigen Modegeschehen die Ruhe und Inspiration, um deine einzigartigen Designs zu kreieren?

Ruhepausen? Die habe ich nicht (lacht). Ich hatte bei den letzten beiden Kollektionen sehr wenig Zeit, um diese zu kreieren. Und es tut den Kollektionen auch ganz gut, habe ich gemerkt. Ich glaube, dass ich gar nicht lange Ruhe in diesen schnelllebigen Zeiten brauche. Ich bin bald drei Wochen im Urlaub, die wurden mir aufgezwungen und ich wette mit dir, dass ich nach drei Tagen die Krise bekomme.

Wenn du auf deine bisherige Karriere zurückblickst: Gab es einen Moment, an den du dich bis heute noch gerne erinnerst?

Boah, einen Moment in über 20 Jahren zu finden, ist sehr schwierig. Aber wenn du jetzt einen von mir hören willst, dann wäre das, glaube ich, meine erste Show auf der Fashion Week im Juli 2008. Da habe ich schon gemerkt, jetzt ändert sich gerade was. Das ist auf jeden Fall etwas, was ich nicht vergessen werde.

Was ist nach all den Jahren in der Modebranche immer noch das Spannendste oder Faszinierendste für dich an deiner Arbeit als Designer? 

Das Faszinierendste daran ist, dass es für mich keine Arbeit ist. Natürlich gibt es Dinge, die ich als Arbeit empfinde, das sind aber die wenigsten, weil das eine Passion ist. Mich fragen auch immer viele Leute, was hast du denn für Hobbys? Naja, das ist ja irgendwie auch mein Hobby. Ich liebe, was ich mache und die Vielfalt meiner Arbeit: meine Hauptlinie zu kreieren, an Kilian Kerner Senses zu arbeiten, was komplett eine andere Welt ist. Ich liebe es, bei „Germany's Next Topmodel“ zu sein und Teil von „Beauty & the Nerd“ zu sein oder gerade noch ein anderes neues Format drehe und dass ich das alles miteinander verbinden. Das ist ein großes Geschenk und diesem Privileg bin ich mir auch extrem bewusst.

Vielen Dank, Kilian!