
Zu Beginn ein kleines Gedankenexperiment. Jemand wünscht dir "alles Gute zum Weltfrauentag". Welche Bilder kommen dir in den Kopf? Bei mir sind es jedenfalls blühende Blumenwiesen und pinke Werbeslogans, mit denen Unternehmen den 8. März unangenehm subtil zweckentfremden. Vom kämpferischen Kern dieses wichtigen Tages fehlt dabei jede Spur.
Die Bezeichnung "feministischer Kampftag" macht hingegen ganz andere Bilder auf – und besinnt sich zurück auf eine Dringlichkeit, die seit der Geburtsstunde des 8. März für die kommunistischen Pionierinnen im Vordergrund standen. Sprache ist Macht – deshalb setze ich mich dafür ein, den 8. März beim (richtigen) Namen zu nennen. Es geht dabei nämlich um so viel mehr als Frauen.
Der Ursprung des 8. März
Der Ursprung des 8. März ist in erster Linie revolutionär und kämpferisch. Im Jahr 1910 wurde durch Kommunistinnen wie Clara Zetkin beschlossen, jährlich einen Frauenstreiktag zu veranstalten. An ihm sollte für das Frauenwahlrecht gekämpft werden und er diente Frauen dazu, sich für politische Kämpfe zu organisieren und zusammenzuschließen.
Schon immer war der 8. März also aufständischer, rebellischer, mutiger Natur. Weltfrauentag? Viel zu angepasst. Der feministische Kampftag steht im Zeichen des Kampfes gegen Patriarchat und Kapitalismus und somit besonders im Zeichen des Unbequemen.
Darum ist der Name "Weltfrauentag" ungeeignet
Mir ist das Wort "Weltfrauentag" aber nicht nur zu lieb, sondern es schließt bestimmte Personengruppen schlichtweg aus. Die Professorin für historische Sprachwissenschaft Renata Szczepaniak erklärt etwa dem MDR:
Der Begriff Frauentag ist in dem Sinne neutral, dass er verschiedene Interpretationen zulässt. Je nachdem, welches Denken, welche Stereotypen, welche Konnotationen vorherrschen. Bei dem Begriff feministischer Kampftag haben wir natürlich nicht mehr die Möglichkeit von einer großen Bandbreite von Interpretationen, sondern sie wird eben eingeengt auf diese starke Verbindung zwischen Feminismus und Kampf.
Und genau diese Verbindung ist so wichtig. Der Begriff "Weltfrauentag" verfehlt für mich den Kern des 8. März meilenweit. An diesem Tag geht es nicht nur um weiße, heterosexuelle cis-Frauen aus der Mittel- und Oberschicht, die einmal im Jahr symbolisch gefeiert werden.
Feminismus ist inklusiver und schaut vor allem auf die Strukturen, die den Ungerechtigkeiten zugrunde liegen. Dabei meint der Begriff "feministischer Kampftag" nicht nur Frauen, sondern betrifft genau so genderfluide oder nicht-binäre Menschen, Trans-Person und jeden weiblich gelesenen Menschen, der Diskriminierung erfährt.
Übrigens: Allein das Narrativ der "starken Frau" hat für mich einen bitteren Beigeschmack. Wenn Worte wie "Frauenpower" nur im Zusammenhang mit akademischen oder beruflichen Erfolgen von Frauen fallen, wird der Sinn vom Feminismus höchstens touchiert. Ein "Girlboss" ist nämlich nicht nur die sogenannte Karrierefrau im Büro, sondern auch die alleinerziehende Mutter oder die unterbezahlte Pflegerin. Die Girlboss-Kultur verdrängt die strukturellen Probleme von Sexismus und Kapitalismus.
Der 8. März ist feministischer Kampftag
Lange Rede, kurzer Sinn: Am 8. März geht es um politische Kämpfe. Sogar gleich mehrere: International wird gegen Patriarchat, Gewalt, Kapitalismus, Krieg und Militarismus demonstriert.
Die Realität sieht nämlich weniger rosig aus, als es ein "Weltfrauentag" suggeriert. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Expartner umgebracht, die Gender Pay Gap ist ein allgegenwärtiges Thema und sexuelle Belästigung bereits fester Bestandteil eines weiblichen Alltages. Wir brauchen also kein Datum, an dem uns eine Schachtel Pralinen und eine Runde Applaus als nette Aufmerksamkeit gegönnt wird, sondern wir brauchen stärkere Anti-Sexismus-Gesetze der Politik, Bezahlung von Care-Arbeit, müssen Femizide beim Namen nennen und vor allem aufhören, marginalisierte Gruppen unsichtbar zu machen.
Ich liebe es, Blumen zu bekommen, ich mag sanft sein und ich feiere gerne erfolgreiche Frauen. Am 8. März allerdings wünsche ich mir von den Männern in meinem Umfeld Solidarisierung, von den Frauen in meinem Umfeld Verbündung und von der Gesellschaft Kampfgeist. Nur so schaffen wir echte Veränderung.
Verwendete Quellen: mdr.de, deutschlandfunk.de, bpb.de, nstasgram.de