Darum musst du "Poor Things" mit Emma Stone noch vor der Oscar-Verleihung anschauen

"Poor Things" zählt zu den absoluten Favoriten für die diesjähirge Oscar-Verleihung. Ich habe den Film gesehen und verrate dir, was ihn so sehenswert macht.

Poor Things Film© 2023 Searchlight Pictures
Für "Poor Things" lohnt sich der Gang ins Kino. Wir verraten dir, wieso.

Als ich den Trailer zu "Poor Things" gesehen habe, war ich zuerst skeptisch. Klar, die Besetzung ist mit Emma Stone, Mark Ruffalo und Willem Dafoe sehr überzeugend und elf Oscarnominierungen sprechen ebenfalls für den Film, doch so ganz überzeugt hat mich der bunte, schnelle und verwirrende Trailer doch nicht. Trotzdem habe ich mir den Film im Kino angeschaut – und war fasziniert, begeistert, mitgerissen. Warum du dir "Poor Things" ebenfalls anschauen solltest, verrate ich dir hier.

Achtung! Der nachfolgende Text enthält Spoiler.

Bella Baxter als moderne Frankenstein-Figur

Wer die Handlung von "Poor Things" zusammenfassen will, stolpert über Informationen, Eindrücke und Emotionen, die den Film trotzdem nicht so richtig widerspiegeln können. Ich versuche mein Bestes: Bella Baxter (Emma Stone) ist eine junge Frau, die von dem Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) kreiert wurde. Genauer gesagt: Ihr wurde das Gehirn ihres eigenen, noch ungeborenen Babys eingepflanzt. Mit ihrer kindlichen Wahrnehmung, aber einem erwachsenen, weiblichen Körper lernt Bella im Laufe des Filmes, wie die Welt funktioniert – und was es bedeutet, in dieser Welt eine Frau zu sein.

Emma Stone vs. Mark Ruffalo: Feministisch und Fabelhaft

Während der Wissenschaftler seine Bella, die ihn als "Gott" bezeichnet, für immer im Haus einsperren und gemeinsam mit seinem Studenten Max McCandles (Ramy Youssef) beobachten und studieren will, zieht es die (innerlich) heranwachsende Frau nach draußen und ins Abenteuer. Dieses Bedürfnis wird von Anwalt Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), einem – pardon – Fuckboy wie er im Buche steht, gestillt. 

Duncan nimmt Bella mit auf eine Reise nach Portugal – auf der sie nicht nur das fremde Land, sondern auch sämtliche Sex-Stellungen kennenlernt. Während Duncan seine Gefährtin zuvor noch als Mittel zum (Sex-)Zweck gesehen hat, verfällt er ihr im Laufe der Reise immer mehr. Bella hingegen liebt die Lust und die Orgasmen, doch Duncan als Bettpartner ist für sie austauschbar. Vielmehr will sie verstehen wie die Welt funktioniert und verbringt immer mehr Zeit damit, Lissabon zu erkunden, statt brav im Bett auf Duncan zu warten.

Von Lissabon geht es für das Paar per Kreuzfahrtschiff nach Alexandria, wo Bella mit dem Elend der Welt konfrontiert wird. Als sie – in einem Versuch, das Elend zu lindern – Duncans ganzes Geld verschenkt, flippt dieser aus und die beiden werden in Paris auf die Straße gesetzt. 

Spätestens bei ihrem Streit auf den Straßen Paris wird klar: Duncan ist wie besessen von Bella, schwört ihr in der einen Minute ewige Liebe und beleidigt sie in der nächsten als Hure. Bella hat dazu eine herrlich neutrale Einstellung und tut seine Aussagen als das ab, was sie sind: leere, verzweifelte Drohungen und Floskeln eines verunsicherten Mannes. Besonders die Darstellung von einem hysterischen Mann und einer abgebrühten Frau, die Emma Stone und Mark Ruffalo hier liefern, ist ein Highlight des Filmes und ein so erfrischender Rollentausch, dass ich mich dabei bestens amüsiert habe.

Bella Baxters Weg zur Unabhängigkeit

Um Geld zu verdienen, beginnt Bella, in einem Bordell in Paris zu arbeiten. Dieser Schritt ist für sie nicht etwa beschämend, sondern ein großartiger Deal (Für Orgasmen bezahlt werden? Na gerne doch!) – bald muss sie jedoch erkennen, dass nicht jeder Mann in der Lage ist, eine Frau zum Höhepunkt zu bringen. 

Durch eigens verdientes Geld und eine neu gefundene Freundin beginnt Bella immer mehr zu verstehen, welche Rolle Geld und Frauen in der Gesellschaft spielen. Ihre Reise wird von einer schlechten Nachricht aus London beendet: Dr. Baxter liegt im Sterben. Als Bella nach Hause zurückkehrt – nun nicht mehr als Kind, sondern als junge Frau – erfährt sie endlich, welche Behandlung ihr "Vater" an ihr durchgeführt hat. Außerdem soll nun endlich die angesetzte Hochzeit mit Max stattfinden. Diese wird unterbrochen von ihrem früheren Ehemann Alfie Blessington (Christopher Abbott), der seine Victoria (wie Bella vor ihrer "Operation" hieß) zurück auf sein Anwesen bringt.

Während zuvor noch unklar war, wie Bella auf dem Experimentierteller von Dr. Baxter gelandet ist, wird nun alles klar: Ihr Ehemann ist ein übergriffiger Psychopath. Bella kann sich aus seinen Fängen erneut befreien – und rächt sich an ihm, indem sie ihm das Gehirn einer Ziege einpflanzt. 

"Poor Things" handelt von Liebe, Lust und Leben

"Poor Things" ist vieles, aber nie langweilig. Das Kostümbild wechselt von schwarz-weiß zu knallbunt und spiegelt dabei Bellas Entdeckung der Welt wider. Die Szenen sind explizit, teilweise blutig und schockierend, aber auch oft witzig und unterhaltsam. Die Handlung ist eine Achterbahn zwischen Thriller, Liebesfilm, Komödie und Feminismus

Mein persönliches Highlight ist die Tatsache, dass Bella während des gesamten Films ihre Authentizität und Unabhängigkeit behält. Sie ist nicht die "Frau von" oder die "Geliebte für" oder gar das "Opfer" – sie ist eine heranwachsende Frau, die in ihrem zweiten, zugegeben sehr speziellen Dasein, lernt, was sie will, wen sie will und das Leben zu lieben – on her own terms

Weder der sanfte Max, noch der verführerische Duncan oder gar der dominate Alfie können sie beeinflussen oder von etwas überzeugen und Bella findet mit kindlicher Leichtigkeit zu ihrem wahren Ich und ihrem Platz in der Gesellschaft. Dieser Film ist ein wilder Ritt in die Freiheit – es lohnt sich, einzusteigen.