
Einer Werbung aus den 1950er-Jahren zufolge beschäftigt eine Frau zwei Lebensfragen. Was soll ich anziehen und was soll ich kochen? Dank eines besorgniserregenden Internetphänomens scheint nun eine dritte Frage dazugekommen zu sein: Wie schneide ich daraus das beste Reel? In der Küche filmt sich der Content der "Tradwives" schließlich am besten.
Auf Instagram und TikTok zeichnet sich bei jüngeren Generationen gerade ein Trend ab, der die 50er zurück auf die Handybildschirme holt. Ein Comeback, auf das ich gerne verzichten würde. Hauptsächlich in den USA, aber auch in Deutschland inszenieren sich Frauen in ihren tausendfach geklickten Videos als "Tradwife". Dabei verklären sie das Bild einer Hausfrau – und zwar deutlich alarmierender, als es noch die Serie "Desperate Housewives" tat. Warum diese Glorifizierung der traditionellen Ehefrau so gefährlich ist.
Was steckt hinter den Tradwives auf Social Media?
Der Begriff "Tradwife" ("traditional wife"), zu Deutsch "traditionelle Ehefrau", ist ein Neologismus, der sich in den späten 2010er Jahre auf Social Media etablierte. Mit ihm identifizieren sich Frauen, die sich ausdrücklich für ein Leben entscheiden, das sich an klassisch-konservativen Geschlechterrollen orientiert. Die selbst ernannten "Tradwives" verzichten auf eine berufliche Karriere und werben stattdessen für ein exklusives Dasein als Mutter und Hausfrau.
"Tradwives" verstehen sich als Influencerinnen und teilen ihr Leben auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram. In adretten Kleidern backen sie dort Kuchen, räumen die Wohnung auf und machen sich hübsch für ihren Mann. Top frisiert und stets gut gelaunt eignen sich die Internet-Hausfrauen ein Frauenbild an, das zur Zeit des Nationalsozialismus propagiert wurde. Oft wird "Tradwives" daher eine inhaltliche Nähe zu rechtsextremen Ideologien vorgeworfen.
Tradwives und der Antifeminismus
Nun argumentiert der moderne Feminismus aber doch für Selbstbestimmtheit und plädiert darauf, Frauen entscheiden zu lassen, ob sie zu Hause die (unbezahlte) Care-Arbeit übernehmen möchten – also sich um Kindererziehung und Haushalt zu kümmern, während sie ihrem Ehemann den Rücken freihalten.
Diese Entscheidungskompetenz möchte ich Frauen nicht absprechen und auch nicht infrage stellen, ob ein Leben als Hausfrau (selbst angesichts struktureller Probleme wie der Gender-Pay-Gap) erfüllend und Teil einer legitimen Selbstverwirklichung sein kann. Der "Tradwife"-Trend verunglimpft allerdings den Feminismus: Sein unausgesprochenes Ziel ist es, zu polarisieren. Es handelt sich viel mehr um eine Parodie auf das Hausfrauen-Dasein. Zwischen endlosen Wäschebergen und einem sexistischen System, das Frauen, die Sorgearbeit leisten, diskriminiert, bleibt der durchschnittlichen Hausfrau das Lachen nämlich eher im Hals stecken.
Kompromisslose Abhängigkeit vom Mann? It's giving Regression statt Emanzipation. Theresa Brückner ist Social-Media-Expertin und erklärt gegenüber der Tagesschau, wieso hinter den "Tradwives" häufig ein Weltbild steckt, das sich auf den Antifeminismus zurückbesinnen will und oft mit der rechten Szene in Verbindung steht. Es gehe bei dem Trend "um eine patriarchale Struktur und ein Machtgefälle, wo Frauen weniger wert sind als Männer, weil sie sich unterordnen müssen", so die Expertin.
So gefährlich ist der Tradwife-Trend
"Tradwives" zeigen nichts als die geschminkte Wahrheit. Was zunächst als harmlose Geschmacklosigkeit anmutet, stellt sich nach ein wenig Scrollen als gefährlicher Trugschluss heraus. Systemrelevante und anstrengende Care-Arbeit wird von den "Tradwives" nicht hochgehalten, sondern lächerlich gemacht. Noch bedenklicher? Die mittelalterlich-romantische Idee einer gehorsamen Hausfrau gefällt Parteien wie der AfD ausgesprochen gut.
Mit echtem Hausfrauen-Dasein und der Realität von Care-Arbeit haben die "Tradwives" nichts zu tun. Junge Frauen, denen die Videos angezeigt werden, scheinen die verquere Ideologie mitunter nicht entschlüsseln zu können. Den "Tradwife"-Accounts folgen Tausende, in den Kommentaren ernten die Creatorinnen viel Zuspruch. Wie das "Tradwife"-Leben genau finanziert wird, oder wie es mit der Altersvorsorge aussieht? Viele "Tradwives" arbeiten hinter den bis in die Unkenntlichkeit gestylten Kulissen in einem bezahlten Job, ihrer Zuschauerschaft wird das allerdings vorenthalten.
Care-Arbeit ist eben genau das – Arbeit. Sie ist meist nicht postable und dreht sich nicht nur um die Frage, ob dem Mann heute der sexy Zitronenkuchen oder doch die geschichtete Erdbeertorte besser schmecken würde. Das wichtigste Rezept, das an dieser Stelle überliefert werden muss, lautet Medienkompetenz. Junge Userinnen sollen die Märchen, die "Tradwives" aus ihrem Alltag erzählen, als solche entlarven und den Lebensentwurf "Hausfrau" aufgeklärt für sich selbst auskochen können. Das bisschen Haushalt macht sich eben nicht von alleine.
Verwendete Quellen:instagram.de, wikipedia.de, tagesschau.de